Zwei Tabletts in 12.000 Metern Höhe
- Alex

- 4. März 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 22. Apr. 2023
01./02.03.2023 - Flugzeug - Etihad Aviation Group
Dann versuche ich mich mal daran, einen Artikel für etwas zu schreiben, das ich in Zukunft als den Foodblog einer Weltreise bezeichnen möchte. Ich habe mir viele Gedanken gemacht. Ich glaube inzwischen, dass es vermeintlich garnicht so leicht ist zur Zufriedenstellung aller zu schreiben.
Erstens, wird fast niemand das schmecken, was ich versuche so anschaulich wie möglich zu beschreiben. Zweitens sind viele Gerichte einer Region, nehmen wir Südostasien als Ganzes, sehr ähnlich und drittens und das ist sicherlich die größte Hürde, zeigt sich, dass ich selber garnicht so wirklich weiß, was ich da schmecke. Die feinen Unterschiede zu erkennen, sich derer sicher zu sein und sie dann aufzuschreiben, wird eine Herausforderung. Ich nehme es zum Anlass, meinen Geschmack zu trainieren und zu sensibilisieren für das, was ich esse. Wenn dann der gesamte Blog nur für mich von Relevanz ist, dann sei es so.
Ah noch ein Punkt. Fotos. Natürlich müssen die dazugehörigen Bilder hübsch sein und kurz nach dem Servieren gemacht werden. Das ist für jemanden mit einer grundsätzlich ablehnenden Haltung gegenüber Fotos, sagen wir, schwierig. Um trotzdem einzigartige Fotos zu präsentieren, recherchiere ich etwas und finde folgende Tipps:
"Es muss nicht immer ein Studio sein" - das spielt mir natürlich in die Karten
"Nutze Tageslicht" - definitiv hilfreich, nur hab ich Abends und in Innenräumen wenig Spielraum für Anpassungen
"Iss vor dem Foto damit du beim Fotografieren nicht hungrig bist" - das Zusammenspiel von Hunger, Essen und Verfügbarkeit von Essen ist der Autorin dieses Tipps nicht ganz geläufig
"Schöne Hintergründe" - meistens Sonja, also Check
Die größte Herausforderung ist, dass die Aufnahme der Fotos aller relevanten Gerichte auf dem Tisch maximal 5 Sekunden dauern darf, sonst wird mir die Situation im Restaurant sehr unangenehm.
Damit genug Vorbereitung und direkt zu den ersten beiden kulinarischen Erfahrungen, die es in diesen Blog schaffen.
Reis mit Hünchen und Reis mit Hünchen auf den Flügen von München nach Abu Dhabi sowie von Abu Dhabi nach Kuala Lumpur, Restaurant und Inhaber Etihad Aviation Group. Nicht zu verwechseln mit Etihad Food Industries Co. Ltd., Hersteller von Zucker und Speiseölen.
Warum hab ich diese beiden, zugegebenermaßen unspannenden Gerichte als Start gewählt? Sie sind einfach, fast jeder Nicht-Vegetarier hatte sie schonmal auf einem Langstreckenflug und man hat Nachsicht mit mir, wenn einem bei der Beschreibung nicht das Wasser im Mund zusammenläuft, wofür ich natürlich nichts kann.
Vorneweg, die Food Fotografie Tipps konnte ich jetzt nicht direkt anwenden. Tageslicht ist im Flugzeug oft Mangelware, vor allem nachts. Über die Schönheit des Sitztabletts und eines Rücksitzes als Hintergrund lässt sich auch streiten.
Nun zum Essen. Das erste Reis mit Hühnchen war, im Vergleich zu allen Flugzeugspeisen, an die ich mich erinnere, wirklich gut. Das Hähnchen war durchaus zart, viele Gemüsesorten wie Karotten, Aubergine und Mini-Blumenkohl sowie karamelisierte Zwiebeln, die leider eher die Textur von einer karamelisierten Zwiebelschicht hatten...also diese Zwiebelschicht die man mit schlechtem Gewissen vor dem Zwiebelschneiden entfernt, weil die eigentliche Schale nicht richtig abgeht und man viel zu faul ist alles abzupfriemeln. Oder die Schicht, die, falls man die Schale in feinster Detailarbeit entfernt hat, beim Schneiden so doof wegrutscht, weil sie irgendwie doch nicht dazu gehört.

Aber wie gesagt geschmacklich super. Für den westeuropäischen Kartoffelsalatesser würden ich den gesamtheitlichen Geschmack als arabisch bezeichnen. Viel Kurkuma, Kreuzkümmel und etwas Zimt, aber nicht störend. Für meinen Geschmack etwas zu wenig Salz.
Bei dieser Erkenntnis kommt mir der Gedanke, dass irgendwie jeder weiß, dass im Flugzeug alles anderes schmeckt, aber keiner weiß warum. Ich hab das mal für euch recherchiert, gerne weitersagen.
Da die Luft in Flugzeugen kalt und sehr trocken ist, trocken die Nasenschleimhäute stark aus. Zusätzlich sorgt der verringerte Luftdruck und der geringere Sauerstoffanteil in der Luft für eine geringere Leistungsfähigkeit der Geschmacksknospen. Folglich schmecken wir süß und salzig bis zu 30 % weniger.
Ich bin jetzt kein gelernter Koch, aber es müsste doch eine Möglichkeit geben, das zu korrigieren. Glücklicherweise wird meist Salz und Pfeffer gereicht, diesmal nicht.
Eine positive Überraschung gab es aber noch. Als Beilage fungierte ein Kichererbsensalat mit Gurken und nur einem kleinen Stück Tomate, obwohl ich meine Präferenzen hinsichtlich frischer Tomaten nicht vor Abflug mitteilen konnte. Der Salat war eine gelungene frische Beilage, die Lob und ein wenig mehr Essig verdient.
Sonjas vegetarisches Essen auf allen drei Flügen ist schnell abgehandelt: Nudeln, weil vegetarisch. Ich persönlich verzichte so gut es geht auf Nudelgerichte im Flugzeug. Nicht wegen des bösen Glutens, sondern, weil sie vermeintlich nicht frisch und aldente an Board gekocht werden. Sie werden sehr lange warmgehalten und haben dann eher die Konsistenz von Butter bei Zimmertemperatur. Sonja nickt.
Wie viele schon wissen und alle fleißigen Leser bald bemerken werden, zaubern mir süße Nachspeisen nicht direkt ein Lächeln ins Gesicht. Den Schoko-Karamel-Pudding habe ich dementsprechend nicht angerührt.
Vielleicht noch ein Wort zum Setup. Die ausklappbaren Sitztablets sind nicht gerade geräumig. Ein Flugzeug hat schonmal ein paar horizontale oder vertikale Ruckler und das kleine Serviertablett ist so überladen mit Essen, Besteck und Getränk dass man es nichtmal mehr nach dem Aufessen schafft, alles wieder darauf zu platzieren. Und jetzt die erstaunliche Begebenheit. Man bekommmt für meinen Geschmack viel zu selten mit, dass jemand etwas verschüttet oder runterwirft. Selbst meine Reisebegleitung, mit einer gewissen Bekanntheit für Maleure dieser Art, ist verschont geblieben.
Nun zum zweiten Reisgericht mit Hühnchen, welches ich auf dem Flug von Abu Dhabi nach Kuala Lumpur gereicht bekomme. Es ist 0:30 Ortzeit in Abu Dhabi und 19:30 in München. Wir sind somit ganz leicht außerhalb der gewohnten Essenzeiten von 17:30 - 19:00. Falsch fühlt es sich trotzdem an und auch meine Verdauung meint, schonmal eine ausgewogenere Ernährung erfahren zu haben.

Das Reisgericht sieht fast identisch aus, hat jedoch deutlich weniger Soße und wir wissen alle, wie ein Mensch mit schwäbischen Wurzeln zu Soße steht. Geschmacklich unterscheidet es sich aber deutlich. Teile des Gemüses wurden durch Erdnüsse ersetzt und die Gewürze sind nun mehr überlagert von Sternanis und Kardamom. Das letzt "M" überrascht mich jedes Mal bei der Aussprache. Gezielt schaffe ich es beim letzten Bissen auf die einzige Kardamomkapsel zu beißen, so dass mir der Geschmack für die verbleibenden 5h Flug auf dem Gaumen erhalten bleibt.
Zusätzlich hat das gesamte Gericht eine sehr angenehme Schärfe. Dem Flughühnchen scheint die langanhaltende Temperatur, die der Nudel so sehr schadet, gut zu tun. Auch das zweite Mal ist es sehr saftig und zart. Dieses mal fehlt tatsächlich kein Salz. Das lässt nur erahnen, dass es wohl doch einen Weg zu geben scheint, die Gegebenheiten auf 12.000 Metern Höhe zu meistern. Die Beilage ist erneut das Highlight der Komposition. Ein ebenso frischer Salat bestehend aus Bohnen, Mais, Paprika und Tomaten bringt mich zu der Frage: Warum wird im Flugzeug nicht im großen Stil Salat serviert? Grüner Salat hat sicher seine Nachteile, was Optik nach längerer Lagerung sowie Nährstoffgehalt betrifft. Aber ein Salat, wie ich ihn zweimal als Beilage hatte, würde in prominenterer Rolle sicher glänzen. Dazu dann nur noch ein gutes Brot...
Damit sind wir auch schon beim letzten problematischen Teil der Flugzeugernährung. Meine Recherche hat auch eine interessante Info zu Gebäck ausgespuckt. Die außeren Umstände sorgen wohl dafür, dass zum Beispiel Semmeln deutlich trockener wahrgenommen werden. Soll heißen, die Backware die gereicht wird, ist für normale Verhältnisse viel zu feucht und weich. Ganz ehrlich, genau so fühlt es sich im Mund auch an. Wirkt auf mich wie Überkompensation. Salz fehlt im übrigen auch hier.
Wenn man dann seine Semmel mit den Fingern in zwei unförmige Teile gerissen hat, weil das mitgelieferte Holzmesser den "Oh Wunder" viel zu feuchten Backwarenbedingungen nichts anhaben kann, kann man zumindest das geschmackliche Problem noch mit Butter und Salz, falls vorhanden, in den Griff bekommen. Falls das auch nicht hilft kann ich mit absoluter Sicherheit sagen, ein Gin Tonic schadet nicht.
Abschließend muss ich ehrlich gestehen, dass das Flugzeugessen, wenn man die im Vorhinhein bekannten Makel ignoriert, doch erstaunlich lecker war. Das kann man sicher nicht über das Essen jeder Airline behaupten. Etihad ist in diesem Fall alles andere als eine Enttäuschung. Ich krame noch in meinen Erinnerungen wie das Essen auf meinen vergangenen Langstreckenflügen war und ob nicht die Airline sondern die Destination ein entscheidender Faktor sein könnte. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Küche des mittleren Ostens sowie Südostasiens deutlich geeigneter ist als zum Beispiel mitteleuropäische Kost. Mir fallen adhoc kaum deutsche Gerichte ein, welche man passenderweise und in dieser Form im Flugzeug servieren könnte. Käsespätzle vielleicht.
Andererseits war das Essen auf dem Weg nach Südafrika von Turkish Airlines auch kein Gaumenschmaus.
Wäre ja auch naiv zu denken, dass nur ein Faktor drüber entscheidet, wie gut das Essen im Flugzeug ist. Die Vielzahl der noch ausstehende Flüge in den nächsten 10 Monaten nehme ich zum Anlass, dem Ganzen noch weiter auf den Grund zu gehen.
Ich denke mein erster jemals verfasster Blogeintrag ist hiermit vollendet. Zurückblickend betrachtet geht mein Foodblog doch in eine gänzlich andere Richtung als initial gedacht, mal sehen ob das so bleibt und wie viele Leute mir sagen, ich soll es einfach sein lassen...




"also diese Zwiebelschicht die man mit schlechtem Gewissen vor dem Zwiebelschneiden entfernt weil die eigentlich Schale nicht richtig abgeht und man viel zu faul ist alles abzupfriemeln" bester Satz weil wahr