Ordentlich selbst Hand anlegen
- Alex
- 6. Dez. 2023
- 6 Min. Lesezeit
Ich musste ganz kurz überlegen, ob Costa Rica einen eigenen Eintrag bekommt. Wie unschwer zu erkennen ist, habe ich mich dafür entschieden. Zur Einordnung: Wir reisen mal eben von Santiago de Chile nach Costa Rica, um ein paar der sehnlichst vermissten Freunde für einen Urlaub zu treffen. Ein wenig komisch ist es aber schon, gemeinsame Erfahrungen mit fünf anderen zu beschreiben und zu bewerten, unwissend wie genau sie das alles wahrgenommen haben. Aber es liest eh nur du Vali. Gesegnet mit dem Mut einer Wühlmaus wie ich bin, wage ich mich an diese Aufgabe.
Primär hängen wir in Hütten - also im Sinne von fettem Haus, nicht Holzhütte, obwohl die ersten beiden doch maßgeblich aus Holz geschneidert sind - ab. Auch Locations wie Strände oder Nationalparks stehen jetzt nicht für die kulinarische Glückseligkeit, wie ich sie begehre.
Wie im Privaten gilt aber auch hier: Wenn nichts geht, kann man immer noch selber Hand anlegen. Das ist auch nicht verwerflich, sondern wichtig, denn man selbst kennt sich nun mal am besten. Wir haben es uns essenstechnisch schon sehr gut besorgt. Dazu später mehr, denn wir kommen auch mit der lokalen Küche in Berührung.
Costa Rica, bestückt mit zwei Küstenwelten, der karibischen und pazifischen, scheint kulinarisch auch zweigleisig bedient. Karibische und costa-ricanisch. Das 150 km breite Landmässchen verschluckt, zu meiner Überraschung, sehr gekonnt die karibische Küche, je weiter man sich von ihr entfernt. Unser fast einziger aber nicht minder eindrucksvoller Berührungspunkt ist ein karibischer Strandstand. Die Mehrheit greift beim butterweichen Carribean Chicken zu. Ein Stew, den ich nicht Eintopf nenne, weil es trotz richtiger Übersetzung irgendwie etwas anderes ist, mit Reis und Salat hat all diese karibischen Geschmacksnoten, die man so traumhaft nur von Jemma kennt.
Die notwendige Hot Sauce ist natürlich selbst gemacht, scharf und genial. Mit dem Rezept will der Koch jedoch nicht herausrücken. Verkaufen würde er sie uns. So früh - an unsere ersten Station - will sich dann noch niemand mit Mitbringselhotsauce eindecken. "Gute Hot Sauce gibt es sicher überall hier, der karibische Einfluss geht ja nicht mal so eben verloren, nur weil man auf der anderen Seite Costa Ricas ist." Tja, so kann man sich täuschen. Auf der Habenseite steht aber, dass der Koch bereitwillig seinen Freund anruft, um uns andere pflanzliche Güter von Bedeutung zu beschaffen. Netter Mann.
Jetzt haben wir eine pazifische Küste und eine karibische und was haben die gemeinsam? Na klar, Wasser. Und was lebt da? Mega viel ekliges Zeug, aber auch leckerer Fisch und Krabbentiere. Kein richtiger Urlaub ohne ein Meeresfrüchtegericht vom Stefan und ohne einen Hummer selbst getötet zu haben. Ok, nein, es ist für uns alle das erste Mal. Dass wir dem erworbenen, lebenden Hummer einen Namen geben, der global verhasst ist, führt leider nicht zum gewünschten Effekt und mit einer Träne im Auge startet Kochschritt 1.
Kochschritt 5 oder so sieht dann so aus: In Knoblauch-Koriander-Butter gegrillt, schmeckt das Schalentier zwar sehr gut, nur leider bleibt unser alter Freund ein paar Momente zu lange auf dem Grill.
Dasselbe passiert uns mit dem mächtigen Red Snapper, gefüllt mit Zitrone, Koriander, Chili und Butter. Nichtsdestotrotz kommt ein grandioses Mahl zustande, begleitet von einer Ananas-Tomaten-Avocado-Salsa die Säure, Süße und Fett ideal kombiniert. Als Vegetarierin kann man sich übrigens auch sehr über Maiskolben mit schon genannter Knoblauch-Koriander-Butter freuen.

Manche Restaurants die wir besuchen, sind dann im Kontrast zu dem was wir kochen doch sehr enttäuschend. Neben der Tatsache, dass einmal wirklich alles falsch läuft, was falsch laufen kann, geht man manchmal mit folgendem Gefühl aus dem Restaurant:

Andererseits beweist, wie schon so oft auf unserer Reise, die einfache Küche, warum sie überall zu finden ist und Menschen es gerne essen. Natürlich, es ist günstig, aber günstigen Scheiß isst auf Dauer auch keiner. Dieser Typ Restaurant, also das einfache gute Essen, wird in sogenannten Sopas serviert. Vergleichbar mit den Lokantasıs der Türkei oder Restaurants mit Menü Economico in Peru. Ich weiß, ich verlange viel, dass man hier echt alle meine Artikel lesen muss, um einigermaßen Spaß beim Lesen zu haben.
So oder so gibt es Sopas überall. Direkt am Highway esse ich einen Rindfleischeintopf der exakt so schmeckt wie man sich einen costa-ricanischen Rindfleischeintopf vorstellt. Gulasch aber halt von hier. Immer mit dabei Chilera. Eingelegte Gemüse mit Chili. Ich denke langsam muss ich gar nicht mehr sagen, wie sehr ich das feiere.
Die anderen dreimal Sopa greife ich zum Klassiker. Casado: Hühnchen, Reis, Bohnen, Salat und Plantain.
Na klar, da stehst du nicht danach da und sagst: "Das Essen war ja mal irre. Wie haben die das nur hinbekommen. Solche Bohnen hab ich ja noch nie gegessen und der Reis erst, wow.". So denke ich übrigens über solche Aussagen.

Das sollte aber auch nicht der Anspruch sein. Man steht aber auch nicht da und sagt "Also davon hätte ich jetzt mehr erwartet.". Wenn man das Privileg hat, so viel unterwegs zu sein wie wir, dann ist man oft froh, dass man sich bei den drei Mahlzeiten, um die man sich jeden Tag kümmern muss, ab und zu nicht so riesige Gedanken machen muss. Bohnen, Reis, Salat, Plantain, vielleicht etwas scharfe Soße und das schmeckt und die Suche ist nicht ganz so ermüdend.

Und um mir direkt mal selber zu widersprechen, kommt jetzt ein Gericht, dass der selben simplen Küche entstammt, aber in meinen Augen schon größere Euphorie hervorrufen kann. Meine standardmäßige Recherche vor Reiseantritt macht mich mit der Sopa Negra bekannt, einer schwarzen Bohnensuppe.
Mit dem Ausblick auf einen langwierigen Kochvorgang wandert sie direkt auf die Liste der Dinge, die es zu kochen gilt. Im Grunde super simpel. Schwarze Bohnen, Suppengemüse, Paprika und wie sich herausstellt die Suppegeheimzutat von gesamt Südamerika. Nein, nicht die Nationalsauce Lizano, die nach einer Mischung aus Hela Gewürzketchup und Worcestershiresauce schmeckt. Ich erspare mir jegliche Witze über die Aussprache dieser Sauce, da es sich mal so richtig um ein verbrauchtes Pflaster handelt und frage stattdessen interessiert in die Runde: Warum kennt jeder den Geschmack und vor allem Duft dieses überdimensional zylindrischen Gewürzketchups, das eindeutig viel zu flüssig ist?
Das Geheimnis ist Koriander. Einfach einen Bund mit in der Suppe kochen und ihr wisst wie (gut) jede Suppe, die wir seit Ende September gegessen haben, geschmeckt hat. Um die sonst so einfache Suppe noch aufzuwerten, entscheide ich mich mit meinem Kochkumpanen dazu, einen kleinen Teil der Suppe zu pürieren um etwas mehr Sämigkeit zu erreichen. Währenddessen entscheidet sich meine andere Kochkumpanin dazu noch ein kleines Tomaten-Avocado-Topping hinzuzufügen. Das Ergebnis kann sich sehen lassen und das, obwohl es "nur" eine Bohnensuppe ist.
Apropos Kochkumpanen. Wenn man jemanden lange nicht gesehen hat, mit dem man zuvor viel Zeit verbracht hat, hat man vielleicht das Gefühl alte Muster erst wieder mühselig etablieren zu müssen. Es bleibt ein Gefühl. Wir stehen von Tag eins Seite an Seite in der Küche, vertrauen uns und erfreuen uns an der Tätigkeit, die keiner von uns in den letzten acht Monaten ernsthaft ausgeübt hat. Und es harmoniert.
An einem der letzten Abende entscheiden wir uns eine Mahlzeit bestehend aus vier, von uns noch nie gekochten Rezepten, zuzubereiten. Es liest sich im Original wie folgt:
Grilled and spiced cauliflower

Slow-cooked aubergine

Garlic mashed yuca puree

Koriander-Petersilie-Chimichurri

Gibt nur leider keine Bilder vom Ergebnis. Wir können aber versichern, dass es wirklich sehr ähnlich aussieht, wie die Bilder der Rezepte, die ich natürlich verlinke. Der Blumenkohl ist am Ende weich mit noch etwas Biss, die Grillaromen und die Marinade aus Koriander und hauptsächlich Kurkuma harmonieren prächtig. Die Aubergine ist weich mit sehr reinem und fast ausschließlich Knoblauchgeschmack. Das Yuca-/Maniok-/Cassava-Püree bekommt am Ende eine fast schleimige Konsistenz, die überraschend Anklang findet. Es ähnelt stark Kartoffelpü und rundet das Gericht deftig ab. Das Chimichurri verleiht dem Ganzen mit seinen Kräutern und der Säure als Beilage einen kräftigen Kick. So einfach entsteht ein rundes Gericht.
Ja das ist schon sehr viel Selbstlob, aber bis ihr mich wiederseht, sind es ja noch zwei Wochen und alles ist vergessen. Wer sich dieses Jahr nicht erst zu Weihnachten komplett überfressen will, hier bitte:
Koriander-Petersilie-Chimichurri:
1 Bund frische Petersilie
2 Bünder frischer Koriander
1 frische Chili
1 kleine Zwiebel
3 Zehen des Knoblauchs
1 Limette
Olivenöl
Alles mit ein wenig Öl und dem Saft einer halben Limette in den Standmixer, sodass sich am Anfang gar nichts tut, bis man immer wieder umständlich abwechselnd mit dem Löffel reinfingert und den Mixer anmacht, dann mehr Öl dazu tut und es sich ganz langsam anfängt zu vermischen. Wenn sich dann eine Konsistenz etwas dünner als Pesto ergibt, mit Salz und dem restlichen Saft der Limette abschmecken.
Ich lese auch alle deine Blogeinträge, Alex, nicht nur die Vali! Ich finde deinen Blog sehr amüsant und freue mich schon, wenn du das alles nachkochst daheim! 😃🥰