top of page

Wo das Würstchen hingehört

  • Autorenbild: Alex
    Alex
  • 22. Dez. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Ich gebe zu, es fällt mir etwas schwer den Artikel über Chile zu verfassen. Das liegt zum einen daran, dass wir uns die meiste Zeit hier wieder mit einfachen Gerichten zum Selberkochen versorgen, weil es entweder unverschämt teuer und schlecht ist oder wir in einem Zelt an wohl einem der am schönsten gelegenen Campingplätze hausen.


Zum anderen sitze ich gerade im Flugzeug von Sao Paolo nach Hause und die Motivation steht mir, mit Ausblick auf nass-kalt und deutsche Euphorie zu dieser Wetterlage, nicht mehr eimerweise zur Verfügung. Ich reiße mich - umringt von nach der Landung applaudierenden Brasilianer:innen (seit den politischen Forderungen zum Gendern in Bayern und Hessen, macht das Gendern noch viel mehr Spaß) - zusammen und erzähle mal, was Chile beziehungsweise Santiago de Chile so für uns bereithielten.


Die mit Abstand populärste und zugleich ambivalenteste Speise in Chile ist das Completo. Leider nicht so komplett wie der Name vermuten lässt, ist es dafür aber komplett unmöglich, es zu essen ohne sich und die Straßen um einen komplett einzusauen. Dafür muss man nicht einmal Sonja heißen. Die Tatsache, dass es Straßenessen ist und man es nicht mit Teller und ausreichend Spritzschutz verspeisen kann, macht es nicht leichter.

Diese chilenische Schönheit versteckt ein warmes und zu weiches Würstchen aus zu feinem Brät in seinem Inneren. Damit hätten wir auch schon den schlechten und unnötigen Teil. Die Wurst schmeckt nicht nicht, aber nicht.


Bei den vielen schmackhaften Deckchen, die das sanft gebettete Fleischstangerl bekommt, wissen sie im extrem langen, mit viel Phantasie an eine Wurst erinnernden Land, was sie tun. Der Standard, das Completo Italiano, hat drei verpflichtende Beläge, mit dem Rest kann man die Essschwierigkeit beliebig erhöhen.

Avocado. Schön fettig, sodass die Wurst direkt in Vergessenheit gerät. Dann eine Salsa aus groben Tomaten. Frisch und saftig, damit ist auch das eventuell trockene Hotdogbrötchen Geschichte. Zuletzt kommt etwas hinzu, dass sich Salsa Americana nennt.


Mein gesunder Menschenverstand bringt mich erstmal dazu allem, was den Namen America beinhaltet, äußerst skeptisch gegenüber zu stehen. Ausnahmsweise ist das hier nicht berechtigt. Die Pickled Salsa aus Essigurken, eingelegten Karotten und eingelegten Zwiebeln vereint Säure, Frische und eine Konsistenz mit kleinen Stücken zum Beißen.


Nicht nur im Completo eine perfekte Salsa, sondern auch überall sonst ist sie präsent. Aus dem riesigen Bottich auf dem Markt oder direkt abgepackt im Supermarkt ist sie nicht wegzudenken aus der chilenische Küche. Und zwar zu Recht.


Nachdem die Fleischware im Completo wirklich komplett umsonst ist, finden wir einen Straßenstand mit überwiegend vegetarischen Optionen. Saitan, Tofu oder Pilze sind mehr als nur Ersatz, sie machen das ganze besser als die rosa gepresste Fleischwurst. Hab ich erwähnt, dass die Sonja Mais mag?

Die Salsa Americana begegnet uns direkt beim nächsten Straßenstand wieder. Die mit Freude posierende Dame frittiert fluffige Kürbisscheiben, die sich Sopaipilla nennen.


Vielschichtig mit sehr heißer Luft dazwischen, verteile ich in nicht idealer Weise für einen Foodblog die verfügbaren Saucen Ketchup, Senft und Salsa Americana darauf. Beim zweiten mal dann nur noch großzügig die Salsa.

Wir probieren uns natürlich weiter durch Santiago, werden aber von einem Costa Rica Aufenthalt, der Organisation für eine spanische Gelbfieberimpfung und Krankheit unterbrochen. Empanadas gibt es hier auch, aber langsam kann ich sie nicht mehr sehen.

Die Chilen:innen versuchen uns auszutricksen und falten einfach anders. Ich falle natürlich direkt rein und finde mich einem Inhalt gegenüber, der einfach nicht abkühlen will. Mit verbranntem Gaumen und geöffnetem vollem Mund atmend, entdecke ich die Besonderheiten der hiesigen Teigtaschen. Ei, Olive und eine Konsistenz, wie sie mich bei den neuseeländischen schon nicht überzeugt hat. Olive übrigens mit Kern. Zähne hab ich dank etwas Glück noch alle, dafür hängt meine oberste Hautschicht nun stylisch von meinem Gaumen.


Bei dem Versuch uns der Kulinarik über ein chilenisches Restaurant zu nähern, kann ich mich ausgiebig mit meinem Essen beschäftigen, weil Sonjas Aufmerksamkeit voll und ganz den süßen Weitspringern und Speerwerfern der Panamerikanischen Meisterschaften auf dem Bildschirm hinter mir gilt.


Was ich da bekomme, ist genau, wie es aussieht. Ein Prügel Fleisch - am besten mit etwas festerem Gulasch zu vergleichen - Reis, ein halber Maiskolben und Grün in Brühe. Cazuela Vacuno ist schon lecker, aber auch wieder eine Herausforderung zu essen. Alle gewohnten Esshandgriffe muss ich unter Wasser durchführen, inklusive einen Maiskolben schneiden!

In den Werbepausen erlangt Sonjas Essen wieder etwas Aufmerksamkeit und die Maispaste mit Olive Namens Pastel de Choclo wird teilweise gegessen. Den Fokus des Abends kann sie aber nicht verändern.

Auf unserem weiteren Weg gen Süden finden wir uns vermehrt in Hostel- oder Campingküchen wieder und nehmen sogar gerne damit vorlieb. Ich stoße dann noch auf fertige Empanadawrapper, die es vermutlich zum Klacks machen, sich selbst der Herstellung zu widmen. Eigentlich möchte ich ja genau das, daheim alles nachkochen. Für Empanadas muss ich aber vermutlich noch 37 Jahre warten bis mich wieder Lust darauf überkommt.

1 commento


Charles Hoernemann
Charles Hoernemann
23 dic 2023

Hahahaaa..."dafür muss man nicht einmal Sonja heißen". 😁 Ich hoffe Sonja nimmt das nicht so persönlich und redet wieder mit Dir....

Mi piace
Impressum & Datenschutz
bottom of page