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Was das Land so hergibt

  • Autorenbild: Alex
    Alex
  • 30. Okt. 2023
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 12. Nov. 2023

Wir wissen selbst nicht so richtig wie wir hier in Peru gelandet sind, aber was ein Glück, Peru hat so einiges zu bieten. Regenwald, Pazifikküste, die Anden, verschiedenste Höhenlagen, verschiedenste Klimata, überraschend viele Massageangebote und einen Haufen zu essen. Das nicht nur im übertragene Sinn sondern buchstäblich.

Irgendwie sind die Peruaner:innen doch sehr klein geraten. Eindrücklich wird hier der großälterliche Rat "Iss viel, dass du groß und stark wirst" widerlegt. Groß nein, stark bestimmt, denn die Peruanerinnen sieht man stehts tonnenweise Gemüse, Obst oder Kinder, in Tücher gewickelt, auf dem Rücken tragend durch die Berge stapfen.


Der Startpunkt in der vielfältigen Landschaft der peruanischen Agrarprodukte ist für einen Vorzeigedeutschen mit südländischem Touch sehr einfach. Die Kartoffel. Hier steht man jedoch vor dem Problem, dass es nicht nur festkochend und die zwei Sorten, die niemand kauft, gibt, sondern mehr als 3000 Arten. Eines der traditionellsten Gerichte, die aus dem Nachtschattengewächs gezaubert werden, ist der berühmte (nach freier Übersetzung) Kartoffelturm von Lima. Im Original Causa Limeña.

Von unten nach oben, Knödelteig, Thunfisch, Knödelteig und säurehaltige Mayonnaise (und Tomate). Hier würde ich jede:n kurz bitten, über die in Deutschland verbreitet Aussprache von Sauce Hollandaise, Bernaise und Mayonnaise nachzudenken. Komisch, ge? Auf jeden Fall überzeugt der kalte Kartoffelturm vom Fundament bis zum Dachspritz.


Neben Türmen gibt es noch unzählige Verwendungen der Frucht, die so gut in Höhenlagen über 3000 Metern gedeiht. Sonja bestellt zum Beispiel mal Kartoffeln mit Sauce oder ich esse gelbe Kartoffeln in leckerer Sauce mit Zwiebeln. Bariloche nennt sich die überraschend schön angerichtete Speise in einer Essig-Ingwer-Sauce, in welche die Kartoffel leicht mit Kürbis zu verwechseln wäre.

Ansonsten finden sich neben Pommes Kartoffeln auch als simple Beilage. So auch bei diesem Straßensnack, gegrilltes Hühnchen mit Salchicha - was übrigens einfach Worst heißt - und eben Kartoffeln mit Barbecue- und Knoblauchsauce.

Darüber hinaus sind sie als Sättiger in fast jeder Suppe. Da stellt sich natürlich die Frage, warum wir so viel Suppe essen, wir können ja nicht andauernd krank sein. Abgesehen davon, dass vorallem ich andauernd unter Verdauungsstörungen und Fieber leide, lautet die Antwort Menu Economico. Da kann ich als Volkswirt natürlich nicht Nein sagen.

Einerseits ist es die ökonomischste Art zu essen - viel Nutzen für wenig Geld - andererseits die beste Möglichkeit mit wirklich authentischer Alltagsküche konfrontiert zu werden. Immerzu besteht das Menü aus einer Suppe und einer Hauptspeise, ab und zu einem Milchreis zur Nachspeise und meist gibt es noch einen Mate- oder Pfefferminztee oder ein Glas Apfelsaft gratis dazu.


Jetzt wo wir beim Thema Suppe sind, kommen wir nicht an Quinoa vorbei. Im übrigen produzieren Peru und Bolivien 90% des global verwendeten Quinoas. Es fühlt sich an, als würden in Peru auch 90% des globalen Quinoas verspeist, was natürlich automatisch zu einen Außenhandelsdefizit führen würde. Am liebsten in Suppenform und das kann ich nur unterstützen. Deftig, schmackhaft aufgrund des Gemüses und mit ordentlich Quinoa zum Kauen einfach die perfekte Vorspeise, vorallem bei 5 Grad auf 4000 Metern in den peruanischen Anden. Alternativ wird es einem oral als Porridge mit Zimtnote zum Frühstück aus dem Trinkglas eingeflößt. Damit wäre auch geklärt, wo man die Energie für die ganzen Wanderungen hernehmen soll.


Wenn dann mal kein Quinoa zu Hand ist, was so gut wie nicht vorkommt, springt das nächstes Getreide in die Presche. Es gibt nämlich annähernd so viele Mais- wie Kartoffelsorten und alles nur erdenkliche wird daraus gezaubert, auch Suppe. Mir bleibt die Maissuppe besonders in Erinnerung nicht nur, weil sie schwarze Kartoffeln beinhaltet, die ich zuerst für eine Art Innerei halte, sondern weil ich dann überraschenderweise noch eine Art Innereien finde... und esse. Scheinbar setzt die Lernfähigkeit des Homo Sapiens Sapiens bei mir manchmal aus. Keine Ahnung was das war, hat eigentlich nur wie Fett geschmeckt. Die Suppe war auf jeden Fall gut und verschont von Folgebeschwerden bin ich auch geblieben.

Eines haben die vielfältigen Maissorten den Peruanern voraus, sie sind groß. Manche Knoblauchzehen sind kleiner als die Körner des hiesigen Mais. Das macht den klassischen Maiskolben als Speise wieder sehr interessant und bringt mit sich, dass man hinterher nicht verzweifelt versuchen muss in kniggekonformer Manier mit einem Zahnstocher die Reste zwischen allen Zähnen, von A2 bis B7, herauszupopeln. Was übrigens nie funktioniert und man entweder verzweifelt und mit wunder Zunge aufgibt oder ins Bad geht und mit Kopf im Nacken versucht die Finger mit Hilfe der Augen an den richtigen Spalt zu koordinieren, weil die Zunge das einfach nicht hinbekommt.


Um das Erlebnis noch weiter zu verbessern wird einem einem Stück fetaähnlicher Käse und verschiedenste Salsas gereicht, Koriander, Chili und Gelb. Süßer Mais, salziger Käse und frische sowie scharfe Salsa kombinieren sich zu einem sehr simplen aber exquisiten Streetfood-Snack, den ich nicht vergessen werde.

Die Erfindung des Nationalgetränks, welches nicht Pisco Sour ist, bei dem mir im Übrigen die Spritzigkeit fehlt, entstammt wohl einem leidenschaftlichen Teleshoppingfan. Wer sonst, als jemand der kürzlich eine meisterliche Präsentation des Drink 'n Fit Juicers gesehen hat, würde auf die Idee kommen lila Mais zu Saft zu verarbeiten? Chicha Morada ist dann das Ergebnis, das sehr stark an Traubensaft erinnert, von welchem ein etwas dumpfer Nachgeschmack bleibt.

Nachdem ich mich bisher fast ausschließlich vegetarischen Speisen gewidmet habe, kommt jetzt ein Ausflug zu den Nationalgerichten Perus. Da gibt es das offizielle und inoffizielle. Inoffiziell, weil es meiner Erfahrung nach das mit am meisten verzehrte Gericht ist, aber die kulinarische südamerikanische Welt noch nicht recht verlassen hat. Ich empfinde es aber als das wichtigere Gericht, weil es mehr von der peruanischen Kultur preisgibt als das Offizielle.


Lomo Saltado ist ein Wokgericht bestehend aus in Sojasauce mariniertem Rindfleisch, das mit Zwiebeln, Tomaten und Chilis gegart wird und dann mit Pommes und Reis serviert wird. Es entsteht eine Art Bratensauce, welche von Pommes liebend gerne aufgesogen wird. Wer liebt es nicht, durchgesiffte Pommes. Ganz ehrlich, nach ein paar Mal finde ich es ganz geil. Man darf es einfach nicht als matschig Pommes betrachten, sondern als Kartoffeln in Bratensauce. Sowie ein Fahrrad auch kein langsames, nicht motorisiertes Fahrzeug ist, sondern ein ökologisch und ökonomisches mit Spaßfaktor versehenes Fortbewegungsmittel.

Saltados gibt es auch in vegetarischen Varianten oder mit grünen Bohnen oder Brokkoli.

Lomo Saltado ist eine schöne Representation der peruanischen Kulinarik, da es klassische peruanische Komponenten wie Kartoffeln, Chilis, Zwiebeln und Alpakafleisch beinhaltet, aber auch ... moment Alpakafleisch? Ja genau, das Fleisch der Andensäuger ist im Hochland einfach verfügbarer als Rindfleisch und noch dazu günstiger. Ich muss gestehen, es ist ziemlich lecker und nur am ganz leichten Wildgeschmack von Rind zu unterscheiden. Wer jetzt sagt "Ohhh, aber die armen süßen Alpakas", der soll sich bei seinem nächsten Wiener Schnitzel oder Spareribs mal ganz lange im Spiegel in die Augen schauen.

So jetzt aber: Neben klassischen peruanischen Teilen beinhaltet es mit Sojasauce und Reis auch Einflüsse der Chifa, der chinesisch-peruanische Küche. Es ist aber nicht so als wären das chinesische Restaurants in Peru, sondern es sind feste Bestandteile der peruanischen Essenslandschaft, die überall zu finden sind. Entstanden ist Chifa durch die Arbeitsimmigration vieler Chinesen im späten 19ten und frühen 20ten Jahrhundert und sie ist bis heute omnipräsent.


Zu guter letzt komme ich dann doch noch zum sehnsüchtig erwarteten Ceviche. Roher Fisch wird in einem Sud namens Leche de Tigre bestehend aus Limettensaft, Chili und Salz mariniert. Wie schon in den Philippinen erklärt, werden dadurch Eiweiße ähnlich wie beim garen aufgebrochen. Übrig bleibt dann dieses Wunder.


Zu meiner ersten Cevicheerfahrung muss man sagen, dass das Restaurant aussah wie Arsch. Das Essen kam dann angerichtet wie in einem Sternerestaurant und schmeckte auch so. Zarter Fisch ohne Meeresgeschmack, mit einer leichten Textur in aromatischer Zitrussäure mit einen Chili-Kick, ist alles was es braucht. Einfachheit siegt mal wieder. Vollkommen zurecht hat Ceviche einen grandiosen Ruf und repräsentiert die Verbundenheit der Peruaner mit ihrem Land und dessen Begebenheiten perfekt. Davon kann man nicht genug bekommen.

Abschließend gibt es noch eine besondere Auszeichnung für die Avocados dieses Landes. Für diejenigen, die es nicht kennen, Avocados sind in Deutschland diese grünen oder braunen Dinger die unverschämt teuer sind und dann innen entweder steinhart oder braun sind. Nicht hier. Es gibt sie in allen Größen und sie sind immer perfekt weich, fettig und cremig. Ob einfach als halbe Beilagenavocado, als Guacamole oder als Sandwich, hier macht man nichts verkehrt.


Dieselbe Auszeichnung bekommt auch der peruanische Kaffee verliehen. So gut wie jeder kleine Shop hat eine Kanne mit sehr starkem peruanischen Espresso zur Hand, das auf Wunsch dann nur mit heißem Wasser verdünnt wird. Es ist einer der besten und noch dazu konstant besten Kaffees, die ich je getrunken habe. Kein bisschen bitter und sehr aromatisch. Die Herstellung ist erstaunlich simpel. Feines Kaffeepulver, aus Peru versteht sich, kommt in eine Doppelkanne mit Filter dazwischen und wir nur mit heißem Wasser aufgegossen. So entsetzt wie diese Barista muss man dann aber nicht schauen.

Die peruanische Küche überzeugt schlussendlich dadurch, dass man einfach nimmt, was das Land hergibt. Man macht sich zu keinem Zeitpunkt Gedanken darüber, ob die Zutaten frisch und lokal sind, weil man es einfach weiß. Von dieser Herangehensweise können wir uns so einiges abschauen.

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