Viel balinesisch mit seinen Vorzügen und Tücken
- Alex
- 20. März 2023
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 20. März 2023
Wie allseits bekannt, befinden wir uns auf einer mehrtägigen Reise, welche unzählige Länder umfasst. Da es dir bestimmt schon unter den Nägeln brennt, wann und wie es hier im Blog weitergeht, wird mir direkt eine weitreichende Entscheidung abgenommen. Nachdem sich die australische Airline Jetstar wohl dazu entschieden hat, weder auf unserem 5 1/2 Stunden Flug nach Melbourne, noch auf dem 3 1/2 Stunden dauernden Flug nach Christchurch kostenfreie Speisen zu reichen, entscheide ich mich zu einer Abkehr von der Fluggastronomie.
Freundlicherweise wird uns mehrfach (3x) stilles Wasser angeboten. Unsere Sitznachbarin entschließt sich, vermutlich überwältigt von diesem Angebot, abzulehnen und stattdessen ein vegetarisches Sandwich zu bestellen und dem netten Steward dafür auch noch 11 NZD (New Zealand Dollar) auszuhändigen. Nur zur Einordnung: Es handelt sich dabei um ein Sandwich der Sorte "Man-ist-in-einer-größeren-Gruppe-in-einer-teuren-europäischen-Stadt-und-möchte-sich-mittags-keine-volle-Mahlzeit-in-einem-Restaurant-leisten-geht-daher-in-einen-Supermarkt-und-kommt-mit-einer-dreieckigen-Packung-gefüllt-mit-weißem-Toast-2-Scheiben-Schinken-und-2-Scheiben-Käse-enttäuscht-wieder-raus-Sandwich".
Wir erheitern unser Gemüt auf dem Flug nach Melbourne durch die messerscharfe Analyse des australischen Flugreiseverhaltens. Das ist auch notwendig, denn unser Flug hat schon 2 3/4 Stunden Verspätung bei 2h 50 min Umsteigezeit in Melbourne. Es ist festzuhalten, dass der hier repräsentative Australier ein sehr aktiver Fluggast ist, der über Sitze und Tische klettert, nie ruht und pro Stunde Flugreise ca. 800 kcal verspeist. Dazu strotzt er aber stets vor ansteckender Freundlichkeit. Das entscheidende Kriterium "Wie schnell wird nach der Landung aufgestanden" können wir leider nicht beurteilen. Wir werden aufgrund unseres Anschlussfluges als Erste aus dem Flugzeug gelassen, um jenen noch zu erwischen. Was auch prompt klappt. Freude. Wie du später noch erfahren wirst, währt diese jedoch nicht sehr lange.
Zurück nach Indonesien. Diesem Land und speziell Bali möchte ich mich in diesem Artikel widmen. Wie angekündigt möchte ich eine strenge "Ich-probiere-alles"-Attitüde an den Tag legen. Meiner Einschätzung nach habe ich mich in den 10 Tagen auf Bali nicht besonders weit aus dem Fenster gelehnt, werde aber drei Tage vor Abreise hart gestraft. Ein vermutlich gebackener Hähnchenschenkel beschafft mir eine Infektion des Magen-Darm-Tracks, welche von tropischen 39.2°C Körpertemperatur begleitet wird. Ich frage mich nur "Warung ich?". Somit lernen wir nun endlich auch Einheimische kennen, welche nicht in der Tourismusindustrie tätig sind. Die nette Ärztin und ihr Krankenpfleger geben mir eine intravenöse Kur aus Unmengen Paracetamol, Vitaminen und Antibrechmittel. All das in meinem mit Sprungfedern gespickten Bungalowbett. Mit Hilfe von Antibiotikum und weiteren Pulvern und Tabletten werde ich dann bis zu unserer Weiterreise, sagen wir, reisefähig.
Die Mutigen können hier eine Liste meiner detaillierten Symptome einsehen.
Infektionssymptome
Nun aber wirklich zum Essen in Bali bzw. dort, wo es serviert wird. Auf unseren vergangenen Südostasienreisen in Indonesien und Thailand haben wir die Erfahrung gemacht, dass Restaurants, welche sich nicht durch perfektes Interieur oder massenhafte Touristenströme auszeichnen, uns ausgezeichnete kulinarische Erlebnisse bescheren. Mir fällt auf, dass diese Art von Restaurant doch sehr schwierig zu beschreiben ist. Es muss nicht perfekt aussehen, die Kochstelle ist häufig direkt einsehbar, Kellnerin und Köchin sind dieselbe Person, Plastikgeschirr ist involviert, Einheimische besetzen die Tische und ehrlicherweise gibt es auch hygienischere Orte. Aber das Essen enttäuschte uns nie. Ganz im Gegenteil, es entfachte meine Liebe für asiatisches Essen. Die daraus abzuleitende These, Essen aus Lokalitäten dieser Beschreibung schmeckt besser als aus anderen, versuche ich nun auf Bali zu ergründen.
Erster Halt "Warung Ole" erfüllt direkt alle oben genannten Kriterien und ich wähle ein mir unbekanntes Gericht. Chap Cay in vegetarischer Form, um meiner attraktiven Reisebegleitung die geschmackliche Erfahrung nicht vorzuenthalten. Kurz zusammengefasst, es ist großartig. Ich bekomme eine Art Suppe mit Buschbohnen, Karotten, Sellerie, Pak Choy, einem mir nicht bekannten Gemüse und dazu Reis.

Das unbekannte Gemüse hat eine ähnliche Farbe wie Kohlrabi, doch die Konsistenz ist etwas fasriger. Prompt erkundige ich mich bei der Wirtin nach dem Namen der Zutat. Toco soll es sein. Das überraschende an der Suppe ist, wie überaus kräftig sie schmeckt, ohne vor Salz zu strotzen. Das Geheimnis ist also nicht einfach ein weiterer Brühwürfel. Nach langem Überlegen verrät uns Sonjas Gaumen, dass es Kokosfett sein muss. Ich bin erstaunt. Ich bin nicht als Kokosnussfan bekannt, aber hier sorgt es für eine wunderbar kräftige Brühe mit einem mir bisher unbekannten Geschmack.
Sonja isst derweil Gado Gado, eine weitere balinesische Spezialität. Es handelt sich um eine sämige Erdnusssoße, die hier mit verschiedenen Kohlarten, Tofu und Reis gereicht wird. Es gibt wieder Grund zur Verwunderung. Tofu ist vielen als geschmacklose Füllmenge für asiatische Gerichte bekannt und wenige haben eine ideale Zubereitungsweise hinbekommen. Vielleicht liegt hier nicht das Geheimnis. Der Tofu im Gado Gado ist geschmacksneutral, jedoch auf eine Art und Weise, die nicht langweilig, sondern perfekt ergänzend zur intensiven Erdnusssoße ist. Ich vermute die Qualität oder Sorte des Tofu ist hier des Pudels Kern. Warung, indonesisch für Restaurant, Nummer 1 ist direkt ein weiteres Indiz für die oben aufgestellte These.
Im Anschluss begebe ich mich noch auf eine mehrtägige Suche nach dem ominösen Toco Gemüse. Das liegt daran, dass das Internet Toko/Toco/Tokko/Tocko nicht mit grünem Gemüse in Verbindung bringt und mein Gedächtnis mich im Stich lässt. Nachdem ich das Gemüse an einem Stand erspähe und mir den Namen geben lasse, vergesse ich ihn direkt wieder und bin natürlich zu stolz einen Tag später erneut nachzufragen. Letztendlich führt die Googlesuche "grünes Gemüse Indonesien" zum Ziel. Wer hätts gedacht. Es heißt Chayote und ist auch unter dem Namen Choko bekannt.

Um dem Tatbestand weiter auf den Grund zu gehen, besuchen wir auf Empfehlung das In-Restaurant von Amed. Ein schickes, mit Touristen gespicktes thailändisches Restaurant. Im Nat Nat Thai Food wählen wir Crispy Mushrooms und Spring Rolls als Vorspeise. Die Erwartungshaltung für die Crispy Mushrooms sind wohl unfairerweise zu hoch. Die Vorstellung knuspriger Pilze mit thailändischen Geschmackskomponenten klingt einfach unverschämt geil. Am Ende sind es kaum nach etwas schmeckende, fettige Austernpilze. Die typische Sweet-Chili Sauce zu den Spring Rolls gibt es hier auch aber es schmeckt als wäre die Sauce aus der Flasche mit etwas Sojasauce angereichert. Eine einfache Möglichkeit diese aufzupeppen, wie ich finde.
Als Hauptspeise dann noch ein Curry, das wir mit dem Schärfegrad 2 von 3 bestellen. Wie diese willkürliche Skala in der Küche umgesetzt wird, bleibt ein Geheimnis. Das Essen ist sehr lecker, scharf und hat eine Sämigkeit die ich selbst noch nie so hinbekommen habe. Tipps sind sehr willkommen.
Der Restaurantbesuch hebt zwei Vorteile thailändischer Küche, vor allem im südostasiatischen Raum hervor. Einerseits sind die Thai-Auberginen, die kleinen runden Halunken die so gut wie nichts mit der uns bekannten Aubergine zu tun haben, geschmacklich in anderen Sphären. Andererseit verleiht der Thai-Basilikum dem Ganzen eine minzig-frische-deftige Note, die nicht so unerträglich dominant ist wie die von normaler Minze.
Fazit, ein gutes Restaurant, aber es fehlt an Authentizität. Ich sinniere, ob dieses Wort der fehlende Teil zur Beschreibung der Restaurants ist, welche ich versuche zu beschreiben. Ich bin mir nicht sicher.
Um die Kulinarik eines Landes vollständig zu ergründen, darf ein Ausflug in die Welt der Snacks nicht fehlen. Zwischen unseren Tauchgängen bekommen wir Reisbällchen gefüllt mit verschiedenen süßen und salzigen Texturen. Wenn man Energie schmecken könnte, würde ich es mir so oder so ähnlich vorstellen. Es schmeckt nach der Rationalität der einfachen Energiebeschaffung. Ich vermute, Essen zum Zweck hat noch nie jemanden aus den Latschen katapultiert, auch mich nicht. Die Reisbällchen wecken Erinnerungen an die vulgäre und handlungsarme Animeserie Chin-Chan, die am frühen Nachmittag im deutschen Fernsehen zu bewundern war. Retrospektiv bin ich sehr verwirrt, warum diese Serie Kindern in der relevanten Entwicklungsphase vorgesetzt wurde. Weitere Gedanken dazu dann jeder selbst.
Im örtlichen Supermarkt- und Fahrvermittlungsinstitut entdecke ich dann das, was der beliebteste Snack der südöstlichen Hemisphäre sein muss: Atom Pedas.
Hierbei handelt es sich um Erdnüsse in einem scharfen Teigmantel. Zu meiner Enttäuschung sind sie dann nicht so atomar lecker. Die Schärfe, die für mich persönlich in ihrem Grad sehr gut getroffen ist, gibt sich im Kauprozess sehr spät zu erkennen. Das lässt wissenschaftlich hochkomplexe Prozesse bei der Herstellung vermuten, daher vermeintlich auch der Name.
Da ich nun HNO-seitig etwas angeschlagen bin, lasse ich als verantwortungsbewusster Taucher die Unterwasserwelt aus und bleibe daheim. Auf der Suche nach einer Mittagsstärkung lande ich im "Meeting Point". Ein Restaurant gegensätzlich zu unserer eigentlichen Zielgruppe.
Im folgenden ein Bildvergleich was wir suchen und wo ich an diesem Nachmittag verweile.


Ich werde auch direkt bestätigt, das Chap Cay schmiert richtig ab im Vergleich zu, Warung Ole, Ole! Für die Flüssigkeitszufuhr wähle ich einen Gingerspritzer, der den geschmacklichen Drahtseilakt zwischen erfrischend und gesund überraschenderweise perfekt hinbekommt. Eine seltene Kombination wie ich finde. Das Zitronengras versetzt der Erfrischung eine schöne florale Note und zu süß ist sie auch nicht.
Abends im Warung Enak esse ich frischen Mahi-Mahi, dem Mittelmeerangler besser bekannt als Goldmakrele (engl.: Dolphin). Der Fisch ist zart und saftig aber die zwei Beilagen sind was mich überzeugt. Ein kleiner Hügel Chili-Kraut mit Essig und ein feiner Gemüsesalat aus Sojabohnen, Sprosse, Chayote und Buschbohnen ergänzen den Fisch perfekt. Es kombiniert eine leichte frische und Säure die normalerweise durch die gereichte Zitrone erzielt wird. Diese Beilage wird uns noch öfter begegnen und uns nie enttäuschen.

Wir schreiben den 07.03. und liebevoll taufe ich diesen Tag "Tag der Überraschungen".
Es beginnt positiv. In einer ausgestorbenen Bar am Strand bestellen wir lasziv liegend, wie ein römischer Kaiser, als kleine Zwischenmahlzeit "Im Bananenblatt gegrillter Tofu". Uhh und wie der im Bananenblatt gegrillt wurde. Ich beherzige Foodfotografietipp #3 und siehe da, ein gutes Foto.

Wie schon am Vorabend sind die frischen Gemüsesalate und das Chili-Kraut die Stars in der Prozellan-Manege. Wiederholt passt der Tofu und seine Zubereitung grandios ins Bild. Er ist würzig, aber beinahe auf eine gut Art und Weise geschmacklos, aber lässt überhaupt nicht langweilig anmuten. Die bisherige Top-Platzierung in der Bali-Rangliste.
Abends sitzen wir auf einer Dachterrasse mit Blick auf den Vulkan Arung und ich bestelle mir eine namentlich unbekanntes Gericht, welches ich lange nicht vergessen werde. Ayam Lalapan. Ein Hähnchenschenkel mit Gemüse und einer selbstgemachten Chilisauce. Das Fleisch trocken, geschmacklos, traurig. Ich esse trotzdem auf und denke mir, Fleisch kann schon ganz schön unnötig sein. Die Chilisauce hingegen sorgt für eine drastische Ambivalenz. Sie ist fruchtig, frisch, hat Säure und eine krachende Schärfe. Mein Kopf sagt, frage nach was drin ist, schreibe es auf und koche es nach. Mein Gaumen sagt Tomate, Chili, Zitronengras und Limette. Die Köchin sagt Tomate, Chili, Zitronengras und etwas Limette. Jausa!
Vielleicht fühlt sich jemand danach, das mal auszuprobieren und mir zu sagen wie es war. Tomaten halb pürieren, frische Chili, Zitronengras pürieren und einen Schuss Limette dazu. Vielleicht etwas Salz.
Dieser Erfolg wird mich nun durch eine 4-tägige Phase, geprägt von allerlei Infektionssymptomen, einem Arztbesuch, zwei Infusionen, einer Portion Immodium und einer unmittelbar anstehenden Flugreise nach Neuseeland tragen, welche, um so viel schon mal zu verraten, mit der nächsten unvorteilhaften Begebenheit beginnt.
Ich möchte damit aber das Bild von Bali und seiner Küche nicht trüben. Das Essen hat mich alles andere als enttäuscht. Die Vorzüge von gutem Tofu und Tempeh sowie deren Vielseitigkeit wurden aufgezeigt. Noch ein paar Worte zu Tempeh. Es ist hier häufig Teil der Gerichte und ersetzt oft Fleisch oder Tofu. Für die geschundenen Seelen unter den Lesenden, deren Horizont noch nicht durch fermentierte Lebensmittel gesprengt worden ist, hier ein paar Infos.
Bei Tempeh werden gekochte Sojabohnen mit Schimmelpilzen beimpft, ähnlich zu den Systemlingen während der Corona Pandemie ;). Luftverschlossen und in Blöcke gepresst fermentieren diese dann. Für alle kulinarisch und biologisch Unwissenden noch die Basisinfos zur Fermentation.
Hierbei handelt es sich um mikrobielle oder enzymatische Umwandlung organischer Stoffe in Säure, Gase oder Alkohol. Bei Kimchi ist dies die Milchsäuregärung. Ich vermisse mein Kimchi. Fermentation findet auch bei Sauerteig oder Bierbrauen Anwendung.
Zurück zu Tempeh. In meinen Augen ein grandioser Fleischersatz, wenn man ein paar Dinge beachtet. Es benötigt viel Sauce, aufgrund der mangelnden Feuchtigkeit darin. Idealerweise wird Tempeh in einer haftenden Marinade karamellisiert oder so zubereitet, dass eine eigene cremige Hülle entsteht. Zu guter Letzt gibt es ein oberes Limit an Tempeh, das ein Gericht verträgt. Kein unkomplizierter Begleiter.
Darüber hinaus hat Bali uns mit Chap Cay und Gado Gado zwei neue Gerichte präsentiert, die unbedingt nachgekocht werden müssen. Ich habe einen Tomaten-Chili-Dip entdeckt, der trotz seiner simplen Zutaten sofort ins Standardrepertoir aufgenommen wird. Zum krönenden Abschluss demonstriert die balinesische Küche, wie einfach und vielseitig eine kalte Gemüsebeilage aus Buschbohnen, Sojabohnen, Kraut, Zwiebeln und vielen weiteren möglichen Zutaten sein kann.
Ich freu mich, dass mein Mut belohnt wurde und ich Sven gesehen hab 😂 weiß jetzt aber nicht, was das zu mir als Person aussagt..
"Man-ist-in-einer-größeren-Gruppe-in-einer-teuren-europäischen-Stadt-und-möchte-sich-mittags-keine-volle-Mahlzeit-in-einem-Restaurant-leisten-geht-daher-in-einen-Supermarkt-und-kommt-mit-einer-dreieckigen-Packung-gefüllt-mit-weißem-Toast-2-Scheiben-Schinken-und-2-Scheiben-Käse-enttäuscht-wieder-raus-Sandwich" der Junge liefert!