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Vergessene Welten und der Weg nach Mordor

  • Autorenbild: Sonja
    Sonja
  • 4. Mai 2023
  • 6 Min. Lesezeit
"One does not simply walk into Mordor" - Boromir

Diese Worte klingen wahrscheinlich in den Ohren vieler, die sich auf den Weg zum Tongariro Crossing machen. Denn schließlich haben wir alle genau das vor: Einfach mal nach Mordor laufen.


Für uns geht's um 8 Uhr mit dem Shuttle und einem lustigen Busfahrer los, der zunächst auf Maori für unsere Sicherheit betet und uns während der 30 minütigen Fahrt etwas über die Gegend und das Tongariro Crossing erzählt. Der Mann hat außerdem einen großen Topf an Sprüchen über die Schwierigkeit des Tracks auf Lager.


Generell fällt uns auf, dass einem schon gehörig Angst gemacht wird, ob man die Wanderung überhaupt schaffen kann. Überall steht, dass es ca. 6-8 Stunden dauert, man soll zusammen bleiben, genug trinken und mehr Zeit einplanen. Wenn man merkt, dass man es nicht rechtzeitig zurück schafft, gibt es Notfall-Kontaktnummern und unterwegs immer wieder Schilder, auf denen z. B. Folgendes steht: "This was the easy part! Feeling tired? Take a break. Feel like you can't keep walking? Turn around!"


Auch wir haben uns ein wenig einschüchtern lassen und doppelt Brotzeit dabei.


Es geht also los und wir marschieren direkt durch eine erneut einzigartige Landschaft (schon erstaunlich, dass nach sechs Wochen Landschaften hier noch einzigartig für uns sind) , der Vulkan liegt majestätisch vor uns. Übrigens sind wir zu diesem Zeitpunkt der Meinung, dass wir auf den Vulkan hinaufgehen werden - es stellt sich heraus, dass dem nicht so ist. Über diese Wanderung haben wir uns sichtlich zu wenig informiert - das mit dem Shuttle hätten wir ja auch fast verschusselt - ups!


Wir sind definitiv nicht alleine auf dem Weg, die Massen halten sich jedoch vor allem anfangs in Grenzen. Wir nehmen zwischendrin die Abzweigung zu den Soda Springs, einem schönen Wasserfall mitten in der Vulkanlandschaft.


Mit der Zeit wird es immer steiniger und weniger bewachsen. Die Umgebung ist dunkel, felsig und die Aussicht schon jetzt spektakulär.


Es geht einige Stufen steil hinauf - nach 15 Wanderungen wissen wir, dass Stufen mit das Anstrengendste sind - und wir marschieren mit vielen anderen Wanderern zum... - hm, wohin eigentlich? Wir denken ja immer noch zur Spitze des Tongariro, doch merken an unserem höchsten Punkt, dass wir da wohl doch nicht mehr rauf gehen werden. Macht nichts, denn die Aussicht ist absolut umwerfend!


Wir haben klare Sicht auf den mächtigen Tongariro, genauso wie nun auch auf den Red Crater, der sicherlich nicht nur uns an das weibliche Geschlechtsorgan erinnert.


Außerdem entpuppt sich auf der anderen Seite des Kraters ein unglaubliches Naturspektakel. Drei grün bis türkis leuchtende Bergseen liegen inmitten der schwarzen Felsen. Spätestens hier ist klar: Diese Wanderung verdient ihren Ruhm. Wir schlittern gekonnt die Vulkanasche herunter, was einen riesen Spaß macht, vorbei an den vorsichtig und langsam absteigenden Leuten. (Dank gebührt dem erfahrenen Sk8r Boi F. G. für diesen Tipp)


Wir laufen um die Seen herum, Sonja macht tausend Fotos und auch Alex Handykamera wird überdurchschnittlich oft ausgelöst.


Der restliche Weg mit Blick auf den Lake Rotoaira ist entspannt, geht größtenteils bergab und wir erstellen "Beste/Schlechteste Geschenke, die wir uns gegenseitig gemacht haben"- und "Konzerte auf die wir noch gehen wollen"-Listen, während wir die Aussicht genießen.


Insgesamt brauchen wir 5 Stunden und 45 Minuten inkl. Fotopausen, Mittagessen, Verschnaufpausen usw. für die insgesamt 22 km und essen nur die Hälfte unseres doppelten Mittagessens. Angekündigt waren übrigens 19,6km. Der Track ist ein Must Do in Neuseeland, wie wir finden. Es war wirklich fantastisch.


Um uns von den Strapazen schnellstmöglich zu erholen, greifen wir zum beliebten Mittel der Eistonne oder zumindest etwas, das dem sehr nahe kommt. Wir springen nackig in den eiskalten Bach an unserem Campingplatz und es ist herrlich.


Unser Weg zum nächsten Ziel, dem Mount Taranaki, führt uns zufällig entlang einer 150km langen Straße mit dem mystischen Namen "Forgotten World Highway".


Der Highway hält, was er verspricht. Die Straße schlängelt sich stundenlang durch malerische, saftig grüne Hügellandschaften, durch weite Täler, entlang an hohen Felswänden und Flüssen. Es gibt so gut wie keine Ortschaften und wir sehen kaum eine Menschenseele, lediglich einen jungen Bauern, der uns überrascht und fröhlich zuwinkt sowie eine Herde Wollknäule mit denen wir kurzzeitig die Straße teilen müssen. Wir fühlen uns inmitten der unzähligen Schafherden, die hier grasen, wirklich wie in einer vergessenen Welt.


Letztendlich kommen wir in Opunake, einem kleinen Ort im Nirgendwo, bei Regen und wie immer starkem Wind an. Wir machen einen Abstecher in die Bibliothek, um unseren Blog zu schreiben und entdecken eine Statue der Ortsberühmtheit Peter Snell. Kein Witz, dieser Mann gewann, vermutlich ausschließlich aufgrund seines Namens, drei olympische Goldmedaillen über 800m und 1500m. Angefacht von dem Mut dieses Mannes, der sein Leben dem Leistungssport, nur wegen seines Nachnamen, verschrieben hat, fasst Alex all seinen Mut und geht zum Friseur.



Ermutigt von der Geschichte Snells traut er sich sogar um noch kürzere Haare zu bitten anstatt wie ein normaler Mensch das Werk, unabhängig vom Ergebnis, mit "Perfekt Danke" zu akzeptieren.


Der folgende Tag ist wiederum geprägt von starkem Regen und Wind, was uns veranlasst, es heute ruhig angehen zu lassen. Wir verbringen noch ein paar Stunden in der Bibliothek, decken uns nachmittags mit Chips und Süßigkeiten ein und kuscheln uns zu einem Film in unser Zuhause auf vier Rädern. Das darf auch mal sein.


Am nächsten Morgen sieht das Wetter wie erhofft viel besser aus und wir wollen nun endlich den Mount Taranaki besteigen - zumindest teilweise. Im Visitor Center lassen wir uns von einer hinreißenden Dame die beste Route für die heutigen Bedingungen sagen und marschieren los.


Tief im Dschungel/Wald springen wir von Pfützenrand zu Pfützenrand, während uns ein Spinnennetz nach dem anderen im Gesicht landet. Anscheinend haben die Spinnen nach dem Regen am frühen Morgen ihre Netze gesponnen, um Insekten zu fangen. Um nicht alle Spinnen irgendwann auf uns sitzen zu haben, kämpfen wir uns mit einem Stock voraus durchs Geäst und Nass.


Sonjas Stabeinsatz lässt dabei an eine junge aufstrebende Zauberin denken. Unermüdlich den Arm schwingend, hätte sie damals einen Brief nach Hogwarts verdient gehabt.


Die erste Lichtung ermöglicht uns einen großartigen Blick auf den Vulkan, der übrigens auch Mount Egmont genannt wird.


Raus aus dem Wald, geht es weiter über Stufen, bis wir an den herausforderndsten Teil des Weges kommen. Uns erwartet steiles Vulkangeröll und von rechts bahnt sich eine dunkle Regenwolke an. Also steigen wir vorsichtig, aber schnellen Fußes, hoch zum Fanthams Peak, bis wir über den Wolken ankommen und eine der schönsten Aussichten unserer bisherigen Reise bewundern.


Und damit noch nicht genug: Es gibt sogar eine offene Hütte sowie das wohl coolste Klo überhaupt hier oben.


Unser Neuseeland-Abenteuer neigt sich dem Ende zu und wir haben noch einen letzten Punkt auf der Liste: Die Glowworm Caves. Hierbei handelt es sich um Höhlen, in denen tausende Glühwürmchen blau und grün an den Wänden und Decken leuchten - ein Naturspektakel, welches so nur in Neuseeland existiert. Wir entscheiden uns gegen eine bezahlte Tour und für einen 45 minütigen Bush Walk, der sich laut Beschreibung bei Tag genauso lohnt wie bei Nacht.


Gegen 15 Uhr machen wir deshalb den Mini-Track und sind überrascht, wie schön dieser tatsächlich ist. Die mosbewachsenen Felsen, an denen Lianen hängen, der tiefe Dschungel, das rauschende Wasser und die vielen kleinen, versteckten Höhleneingänge versetzen uns mitten in die Kulissen von Tomb Raider.


Nach ein paar Stunden Kreuzworträtsel, Lesen und Musik hören am Parkplatz, essen wir zu Abend und machen uns dann bei Dunkelheit, mit Taschenlampen bewaffnet, nochmal auf den Weg. Es ist schon ziemlich gruselig, an einem fremden Ort ganz alleine ins schwarze Nichts zu gehen, deshalb sind wir umso froher darüber, den Weg bereits bei Tageslicht abgegangen zu sein.


Schon direkt am Anfang des Tracks sehen wir sie: unzählige, blau und grün leuchtende Punkte an den Felswänden. Die Glowworms sitzen überall und erhellen die Nacht. Ein wenig konnten wir das Ganze einfangen, in Echt (und vor allem im Dunkeln) waren es noch hunderte mehr. Was für ein Finale!



Neuseeland hat uns verzaubert. Die Natur ist so gewaltig, umwerfend und besonders, dass es einen regelmäßig aus den Latschen haut. Die Menschen sind wahnsinnig offen, hilfsbereit und immer für einen Chat zu haben. Das Leben als Camper und Tourist wird dir durch großartige und großzügige Organisation des Landes wirklich extrem einfach gemacht, was für uns der perfekte Einstieg in die Weltreise war. Wir haben jeden Tag hier genossen und freuen uns jetzt auf das nächste Ziel. Goodbye New Zealand, hello Australia!


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