top of page

In Kirgisistan trinken sie Tee und andere Dinge

  • Autorenbild: Alex
    Alex
  • 13. Aug. 2023
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Aug. 2023

Kirgisistan, wo soll ich anfangen. Alles was meinen Mund hier berührt, ist neu. Vielleicht nicht neu in dem was es ist, aber wie es ist. Der Einfachheit halber beginne ich mit den Grundnahrungsmitteln des Landes der nomadischen Kultur, inmitten von Bergen und Seen.


Unsere, beziehungsweise meine, ersten sechs Stunden in Bishkek ermöglichen mir schon so viele Häkchen an meiner Das-will-ich-probieren-Liste zu machen, wie ich es vielleicht innerhalb der ganze Zeit hier erwartet hätte. Die erste und nicht letzte kirgisische Mama, bei der wir unterkommen bietet uns freundlich und mit Nachdruck Tee, Trockenobst und Brot in Unmengen an. Nachdem ich die Frage, ob ich etwas Pferdefleisch möchte nicht verneine, holt sie einen riesen Prügel gekochtes Fleisch samt Knochen aus dem Kühlschrank, schneidet in Metzgermanier ein paar Stücke ab und schiebt sie mir mit einem tiefen Blick in die Augen über den Tisch.

Na dann los. Konsistenz wie zähes Rind, Geschmack etwa wie Ziege. Man schmeckt den Ernährungsplan des Pferdes, hauptsächlich Gras. Abends bekomme ich in einem Restaurant als kleinen Snack dann direkt Pferdewurst und getrocknetes Yakfleisch vorgesetzt. Die Wurst gut und nicht so graslastig, eigentlich wie grobe Rindersalami mit einem Kleks Pressack. Das Yak hat dann viel von einem trockenen Räucherschinken.

Nun sind wir also beim Thema Fleisch und hier gibt es kaum ein Entkommen. Für mich okay, vor allem weil man überall in der Natur die Tiere grasen sieht und weil es verdammt lecker ist. Dem Rind und Lamm scheint es egal zu sein, wie es zubereitet wird, es ist immer zart.


Ob für eine Suppe ausgekocht, wie dieser Oschi, oder gekocht und gehackt für Besch-Barmak, es schmeckt so fleischig und behält eine wunderbare Textur. Wie man beim Suppenfleisch sieht, spielt auch das Fett eine entscheidende Rolle. Fast jedes Gericht enthält es. Für den Geschmack eine Wohltat.

Das Besch-Barmak, Nudeln mit gekochtem Fleisch und Zwiebelsoße/-sud, ist nicht besonders "lecker". Es ist einfach deftig, fleischig und zwiebelig. Übersetzt heißt es übrigens "Fünf Finger", weil man es mit den Fingern isst, ich frage mich nur wie. Ich wollte meine zweimal fünf Finger dann doch nicht im Zwiebelsud baden und greife zu Gabel und Löffel.


Kuurdak hingegen, bestehend aus Fleisch, Kartoffeln und Zwiebeln, schmeckt auch richtig gut und das Fleisch zerläuft förmlich im Mund. Es scheint nicht viel zu benötigen, um ein traditionelles kirgisisches Gericht zu werden. Natürlich ist die Kausalität genau umgekehrt. Im nomadischen Leben gibt es nun mal keinen Überfluss. Das Wenige, was das nomadische Leben hergibt, strotzt vor natürlicher Qualität. Die rohen Zwiebeln bringen mich fast zum Heulen und scharf sind sie auch.

Manti, ein weiterer Klassiker der kirgisisches Küche, trifft denselben Ton. Die Fleischfüllung der gebratenen Dumplings gibt genau das wieder, was es ist. Gutes Fleisch und Fett. Mehr auch nicht, braucht es auch nicht, denn es gibt einen Tomaten-Knoblauch-Dill-Dip dazu. Ungewöhnliche Kombination, aber überraschend vielseitig. Knoblauchscharf und frisch mit einer Kräuternote.

Neben Fleisch ist zweifelsohne Brot das Grundnahrungsmittel. Ehrlicherweise muss man eingestehen, dass der optische Schein des klassischen Hefeteigbrotes etwas trügt. Es sieht definitiv aufregender aus, als es ist. Ich suche nach Möglichkeiten, das gekränkte Brot aufzuheitern und stoße dabei auf ein paar Gemeinsamkeiten mit mir. Wir sind beide weiß, braungebrannt, hübsch anzuschauen aber innen etwas trocken.

Vorteilhaft ist jedoch, dass es nicht nach einem Tag zu einem beliebten Mitbringsel in den Wildpark wird, sondern es behält sich nur eine schnell einsetzende, leichte Trockenheit über die Zeit. Zum Wandern haben wir Kalmyk Naan dabei. Die donut-ähnlichen Teigkringel werden vor dem Backen mit Kalmyk, einer Art Streichrahm, bestrichen und sind sehr dicht und daher ideal geeignet als Wegzehrung. Gebacken werden die Hefeteigschönheiten, sowie viele andere Brotspezialitäten, kopfüber in einem traditionellen Tandur Ofen. Bei einer der vielen liebenswürdigen kirgisischen Mamas durfte ich dem Brotbacken im normalen Ofen beiwohnen.

Darüber hinaus gibt es auch noch das klassische Sauerteig-Fladenbrot. Hier ein ganz anderes Erlebnis. Weiches Brot, sehr geschmackig, weil mehr Salz und in seiner Konsistenz perfekt zum Reißen und Verschlingen. Nach zwei Exemplaren von zwei verschiedenen Mamas mit Tandur-Ofen, küren wir es zum Brotgewinner dieser wilden Nation.

Mit Kattama gibt es dann noch ein etwas abwechslungsreicheres Gebäckstück. In das pfannkuchendicke Brot wird Frühlingszwiebel eingebacken und es hat diesen spezifischen Mehlstaub sowie die Feuernote eines Holzofens.

Zur typischen Gastfreundschaft gehört nicht nur ein ordentliches Stück Fleisch und etwas Brot sondern auch zwingend Cay. Wir verlieben uns umgehend in die Teekultur. Man bekommt zu jeder Mahlzeit immer eine ganze Kanne, sodass man sich sicher sein kann, um 3 Uhr morgens mit einer zum Zerbersten gefüllten Blase aufzuwachen, nur, um sich dann drei Stunden lang immer wieder in den Halbschlaf zu zwingen, weil man zu faul ist, in diesem müden Zustand aufzustehen. Vollkommen übermüdet, quält man sich dann um 6 Uhr auf, fragt sich, wieso man es nicht schon früher getan hat und kann dann nicht mehr einschlafen.

Ob heißes Wasser mit Ingwer und Zitrone, Hibiskus oder schwarzer Tee, zu jeder Gelegenheit gibt es den wärmenden Blasenfüller.


Wo wir schon bei Getränken sind, müssen wir nochmal zu unserer Ankunft in Bishkek zurück. Neben Pferdefleisch bekommen wir direkt auch etwas angeboten, das sich Kumis nennt. Wer hätte es gedacht, dass ich so schnell der Fermentierung wieder begegne. Es handelt sich um nichts anderes als fermentierte Pferdemilch.


Es löst sequentiell zwei Mundreaktionen aus. Zuerst das Fermentierte. Es kitzelt leicht auf der Zunge und hat eine ungewöhnlich Säure für Milch. Soweit so gut. Als zweites zeigt die Pferdestute dann aber was in ihr steckt bzw. steckte. Alle Wiesen und Bergkräuter Kirgisistans landen unausweichlich auf unseren Zungen. Irgendwie nicht mehr so gut.


Pferdemilch ist deshalb so gut für diese Art der Fermentierung geeignet, weil sie wohl sehr viel Zucker enthält. Bei der Herstellung im Sommer, nur dann wenn die Bergwiesen grün sind und blühen und den besonderen Geschmack in der Pferdemilch erzeugen, wird die Milch zusammen mit etwas Hefe in Lederbeuteln fermentiert. Mit etwas Abstand bin ich geneigt dem Ganzen nochmal eine Chance zu geben.


Am Abend des ersten Tages ging es direkt weiter mit den ungewöhnlichen Getränken. Es gibt Bozo, ein milchiges, schwach alkoholisches Hirsegetränk, das stark an einen Joghurtdrink erinnert, etwas Säure besitzt und in unserem Fall mit Sanddorn versetzt ist und daher etwas Süße verliehen bekommt.


Weiter geht's mit Chalap und auch hier hat die Fermentation seine bakteriellen Finger im Spiel. Die fermentiere Kuhmilch entwickelt Kohlensäure und schmeckt bis auf diesen Fakt ähnlich zu Ayran.

Im Sommer kommt es zu einer tollkühnen Schlacht zwischen den beiden Anbietern, Artezian und Schoro, dieser milchigen Erfrischung. Die kirgisischen Städte werden mit Klapptischen, jeweils drei Fässern und kirgisischen Frauen zwischen 23 und 60 überflutet. Für schlappe 18 Cent kann man dann einen Becher, Chalap, fermentierte sprudelige Kuhmilch oder Maksym, unspritziges Hefegetränk aus Gerste, Mais und Weizen kaufen. Für die Unentschlossenen gibt es dann sozusagen noch das Spezi unter den gärigen Milchgetränken. Aralasch, jeweils zur Hälfte bestehend aus Chalap und Maksym. Ich höre ihn schon in meinem Ohr und ich denke ihr wisst, wen ich meine. "Beim Spezi selber mischen ist der Trick mehr Limo als Cola zu nehmen".

Weil dieser Eintrag noch nicht genügend absurde Köstlichkeiten beinhaltet, schließe ich hiermit ab.

Die kleinen Kügelchen, die es auch in anderen Formen gibt, heißen Kurut und sind getrocknete Kuhmilch. Enorm salzig und mit etwas viel Heugeschmack fällt mir wirklich kein Anlass ein, zu dem ich das nochmal essen würde.

Comentarios


Impressum & Datenschutz
bottom of page