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Es ist ein bisschen traurig

  • Autorenbild: Alex
    Alex
  • 3. Sept. 2023
  • 6 Min. Lesezeit

Umgehend nachdem ich das Brot in Kirgisistan denunziert habe, bekomme ich eine wiederholte physische Rüge des zentralasiatischen Presserates und zwar in Form von duftender Teigware. Er kann zwar seine Verbindung zur Brotlobby nicht mehr leugnen, aber nur zu gerne stelle ich das Gesagte klar. Seit des Tages der Veröffentlichung ist jedes Brot das wir essen, sei es in Kirgisistan oder Usbekistan, einfach nur köstlich.

Keine Spur trocken oder zäh. Wir wollen Brot zu Nudeln oder Eis bestellen, weil es verdammt lecker, saftig und frisch ist. Entgegen anderer Printmedien mit ähnlicher großer Leserschaft, kommen meine Korrekturen in den zweiten Absatz auf der Titelseite.


Um gleich bei der Sache zu bleiben beleuchte ich noch eine weitere Gemeinsamkeit der beiden zentralasiatischen Länder, welche wir besuchen. Nicht nur gibt es hier Obst, Trockenfrüchte und Nüsse zum lächerlichen Spottpreis, sondern auch in Mengen, die unverkäuflich scheinen. Alle Verkäufer auf jedem Basar bieten Gesagtes in Bergen an und lachen uns ohne Scham aus, wenn wir 100g Trockenobst oder zwei Nektarinen, oder was auch immer es ist, kaufen.

Wir sind ja unter uns, da kann ich auch gestehen, dass mich die Palette an Obst, die sich in den Dimensionen Farbe, Größe, Pelz, Kern, Farbe innen und Geschmack unterscheiden, komplett verwirrt. Jede Kombination aus Eigenschaften scheint möglich und hat einen eigenen Namen. Nektarine, Apfelsine, Mandarine, Pflaume, Aprikose, weiße Nektarine, Pfirsich, Zwetschge, Plattpfirsich - wer das alles auseinander kennt, der spucke den ersten Stein. Und übrigens ist man sich auf einmal nicht mehr sicher ob man eine Apfel erkennt.

Unabhängig von meiner vollständigen Verwirrung auf dem Obstmarkt, schmeckt alles so unglaublich gut. Aprikosen von angetrocknet und saftig zu vollständig trocken, wobei man fast den kristallinen Fruchtzucker zwischen den Zähnen fühlt. Datteln so süß und cremig oder Kerne der Aprikose, oder irgendeines runden Leckersaftig, unbeschreiblich. Das Zeug gibts ja bei uns auch, aber der Seeberger nimmt einem halt die komplette Rente für ein paar getrocknete Pflaumen. Und so schmecken wie hier tut es dann auch nicht. Wir haben in jedem Moment unserer vier Wochen hier immer ein paar natürliche Süßigkeiten in der Tasche.


Wer Feigen mag wird das hier lieben. Gelbe Feigen, etwas süßer als das dunkle Pendant und hier mit einer beeindruckenden Intensität. Ich bin normal kein großer Feigenfan, weil mir etwas herausstechendes kräftiges fehlt. Diese gelben Feigen haben dieses spezielle Feigenetwas. Man stelle sie sich nur mal karamellisiert mit etwas Vanilleeis vor.

Jetzt muss ich langsam anfangen den Titel zu erklären. Usbekistans Küche ist nicht gerade die warme Semmel unter den Küchen, die ich bisher durchleuchtet habe. Warme Speisen können sie hier irgendwie nicht. Das führt dazu, dass ich den Fokus auf etwas anderes setzen muss, und selbst zu meiner Überraschung sind es Dill, Koriander und Tomaten.


Keiner der drei rückte für mich in der Vergangenheit auch nur in die Nähe eines Gaumenschmauses. Nun, hier ist es unmöglich auf die grünen Kräuter zu verzichten. Es wirkt als versuche man dem sonst so beigen Land hiermit etwas Farbe zu verleihen.


Es fängt damit an, dass man zu jedem Schaschlik, Fleisch auf Spieß gegrillt, rohe Zwiebeln bekommt, die ausschließlich mit etwas Essig und Dill sowie manchmal Koriander aufgewertet sind. Schaschlik, das wohl am meisten verspeiste Gericht, ist so naja. Ich hab alle Varianten probiert, mit Hammel, Hammelfett, Rind oder Lamm aber vor allem Fett. Sonja hat hierbei auch die traurigste, aber auch fast die einzige wirkliche, vegetarische Mahlzeit- Gemüse mit schwarzen Flecken - was schon viel aussagt.

So schwach das Schaschlik geschmacklich ist, genauso überraschend ist die Verwandlung der Zwiebel. Das bisschen Essig und der Dill schaffen es, die dominate Schärfe und die Mundgeruch erzeugenden Noten zu überwinden und etwas saures frisches zurück zu lassen. Wenn dann noch Koriander ins Spiel kommt, kommt schlicht noch eine geschmackliche Komponente dazu, die das sonst so langweilige Essen deutlich aufwertet. Gespart wird mit dem Grünzeug jedenfalls nicht.

Dieses Erlebnis ist auch für mich eine große Überraschung. Eigentlich war ich immer im Team "Scheiße, schon wieder vergessen bei der Bestellung zu sagen, dass sie den Koriander weglassen sollen. Ohh ne. Das nervt so. Wieso kann ich da nie dran denken, verdammt. Jetzt muss ich die blöde Sommerrolle aufpopeln und das Zeug rausholen.". Schmeckt nach Seife sagen die einen, übelst geil die anderen.


Es hält sich ja durchaus der Glaube an ein gewisses Koriandergen, das nicht nach Seife schmeckt, aber macht, dass Koriander nach Seife schmeckt. Einen stichhaltigen Nachweis für eine genetische Veranlagung, Koriander mit Seifengeschmack zu assoziieren, gibt es übrigens nicht. Ein Gen steht im Verdacht, weil es im Bauplan eines Geruchsrezeptors eine Rolle spielt, welcher auf Aldehyde anspricht. Jedoch weiß man nicht genau, welche Düfte diesen Rezeptor genau ansprechen und wir wissen das auch nur von 20% der ca. 400 Rezeptoren die wir haben. Geschmacksinn oder Schmerzrezeptoren, die zum Beispiel auf Capsaicin anspringen und ein Hitzegefühl auslösen, spielen in diesem Kräuterpuzzel auch noch eine Rolle. Einfach zusammengefasst, wir wissen gar nichts.


Wie dem auch sei, hier ist der Seifengeschmack weg. Das ist gut und wichtig, denn auch in der Salatkultur der UsbekInnen, die wohl einzig dazu dient, ein paar Ballaststoffe in die fleischhaltige Ernährung dieser zu schmuggeln, strotzt nur so vor Dill und Koriander. Aufregend sind die Salate nicht, aber die grünen Pflänzchen heben jeden Salat auf ein anderes Level. Ich kann gar nicht beschreiben, wie begeistert und überrascht ich bin. Es scheint keine kritische Masse zu geben, egal wie viel, ich feier.


Für Sonja ist die Salatkultur die Rettung, weil es damit immer etwas zu essen gibt. Die Versuche fleischhaltige Gerichte vegetarisch zu bestellen, werden stets bejaht. Nach wiederholter Enttäuschung, dass es sich mal ganz und gar nicht um vegetarische Gerichte handelt, stellt sich eine gewisse Niedergeschlagenheit sowie Akzeptanz ein.

Das Konzept Vegetarismus ist auch hier nicht existent. Ihr wird nahegelegt als vegetarische Alternative ein ganzes Hendl zu essen. Auf die verwirrte Nachfrage "Chicken?" kommt mit einem Kopfnicken "Chicken!". Dann isst sie halt Unmengen an Tomatensalat, die ausreichen würden, alle Münchner Fernreisenden am Gardasee mit Caprese zu versorgen.


Wo wir schon von Tomaten reden, kommt jetzt die, selbst für mich, größte Überraschung. Ich. Habe. Eine. Ganze. Tomate. Gegessen. Wir befinden uns auf einem Bazar und entdecken einen Stand mit allerlei eingelegten Dingen. Gurken, Kohl, Anzur Zwiebeln und eben Tomaten. Die Zwiebeln sind das Zweitüberraschenste. Sie besitzen keine offensichtlichen Zwiebelschichten und sind super knackig, trotz ihres Essig-Salzwasserbads. Die Gurken sind eher Salz-Dill-Gurken, aber dafür sehr knackig und lecker.

Die Tomaten, die einen anlächeln wie lüsterne Bösewichte, sind aber ganz zahm. Eingelegt und regelmäßig übergossen werden sie mit einer Essig-Dill-Knoblauch Flüssigkeit. Es müssen Unmengen Knoblauch sein, denn die Tomaten sind überraschend scharf. Noch überraschender ist, dass sie überhaupt nicht nach frischen Tomaten schmecken. Von ihrem sonst so grässlichen Eigengeschmack ist nur die säuerliche Süße übrig. Mit der Dillfüllung, Essig und Knoblauch, ergibt sich ein überwältigender Geschmack. Ich nehme es vorweg, es wird das Beste sein, was uns in der usbekischen Küche begegnet.

Der scheinbare Überfluss an Dill wird durch eine Speise sichtbar, welche in Khiva, einer filmreifen Oasenstadt, beheimatet ist. Shivit Osh ist ein Nudelgericht, bei welchem Dill direkt in die Nudeln eingearbeitet wird. Daher auch die ungewöhnlich Farbe der Nudeln. Da hat man keinen Bedarf mehr an Zoodles, der urlangweiligen kohlenhydratarmen Nudelalternative.

Getoppt mit einer eintopfähnlichen Soße aus Rindfleisch, Kartoffeln, Zwiebeln und Karotten sowie einer Art Sour Creme. Das macht dann leider immernoch kein aufregendes Gericht.


Dann stellt sich natürlich die ernsthafte Frage, was denn usbekische Küche eigentlich ist. Und die Antwort klingt wie etwas das runterfällt. Plov. Die traditionelle Speise ist ein sehr fettiges Reisgericht mit Lamm oder Rindfleisch sowie mit variierenden Anteilen an Rosinen, Kichererbsen und Aprikosen.


Die Aprikosen, in meinen Augen das Etwas, welches dem Plov wenigstens ein bisschen Eigen- und Besonderheit verleiht, halte ich zu Beginn für sehr süße Paprika mit einer Konsistenz ähnlich zu Süßkartoffeln. So viel zu meiner Fähigkeit Zutaten zu erschmecken. Die Rosinen sind auch noch hervorzuheben, denn sie sind noch sehr nah an Weintrauben und verbreiten eine schöne Rotweinsüße im Mund.

Ansonsten ist es bissfester, fettiger Reis ohne Noten von besonderen Gewürzen. Plov ist mir die liebste der usbekischen Speisen, aber leider nicht weltbewegend. Hübsch kann es trotzdem aussehen und das Konzept der verbreiteten Plovzentren, in riesigen Pfannen zu kochen und es so lange zu verkaufen bis es aus ist, sagt mir schon sehr zu. Normalerweise gibt es immer ein lokales Plovzentrum-Monopol, das einen marketingreifen Namen wie "The Plov", "Plov Center" oder "Ultra Mega Plov" trägt.


Da sich die Küchen doch sehr ähneln, hier nochmal ein paar Vergleiche mit dem Nachbarland Kirgisistan. Bitte keine Lagman in Usbekistan essen. Die Manti hier waren deutlich geschmackiger als in Kirgisistan, jedoch ist meine Untersuchung mit einer Stichprobengröße von jeweils 1, in Worten "eins", nicht wissenschaftlich haltbar.

Somsa, die kleinen Teigtaschen, in Usbekistan und Kirgistan verbreitet, die es als Panada auch auf den Philippinen gibt und gleichzeitig als Empanada oder Samosa in vielen Teilen der Welt verbreitet sind, spielen häufig den soliden Retter in der Not, also für mich. Auf jedem Bazar frisch erhältlich, günstig, immer gut und perfekt, um den kleinen Hunger zu stillen, bevor die Stimmung kippt, ab und zu sogar mit Kürbisfüllung. Für meine Freude über dieses simple Gebäck werde ich aber ein wenig beäugt.

Unsere Aufenthalt in den -istans schließen wir mit einem kulinarischen Besuch in Tadschikistan ab. Das Restaurant Kurutobxona in Bukhara rettet unseren Gesamteindruck der in Usbekistan gekochten Speisen, wenn auch mit einem Rezept aus dem Nachbarland.


Dieses wunderschön anzuschauende Essen nennt sich Kurutob. Basis ist Kurut, die kleinen fast unverzehrbaren Bällchen aus getrockneter Milch. Und wieder werde ich eines besseren belehrt. Es gibt einen Weg Kurut bekömmlich zuzubereiten. Als Soßenbasis erzielt es eine cremige, käsige und fettige Flüssigkeit, die an Ziegenkäse erinnert. Darin finden sich Stücke, die bissfesten Lasagnenblätter und Brot ähneln. Die Kombination ist etwas vollkommen Neues. Die milchsaure Soße mit merklichem Fettanteil, ist ein besonderes Gaumenerlebnis.

Glücklicherweise haben wir diese Begegnung noch gemacht, denn wenn man mal von eingelegtem Gemüse und der überraschend vielfältigen Verwendung von Dill und Koriander absieht, war die Küche hier schon ein bisschen traurig.

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