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Ein kleiner Abstecher

  • Autorenbild: Sonja
    Sonja
  • 29. Nov. 2023
  • 6 Min. Lesezeit

Ein etwas ängstlicher Alex und eine ihn besänftigende Sonja kommen in La Paz, Bolivien an. Ängstlich ist Alex, weil jeder einzelne Blogartikel, den er über diese Stadt liest, damit anfängt, dass La Paz extrem gefährlich ist, alle Blogschreibenden ausgeraubt wurden und man noch mehr als sonst auf sich aufpassen sollte. Zusätzlich warnt das Auswärtige Amt vor hoher Kriminalität in diesem bitterarmen Land. Das erste was wir von der, zwischen Hügeln liegenden, riesigen Stadt sehen, ist jedoch ganz und gar nicht beängstigend. Viel eher sind wir direkt begeistert und fühlen uns wohl. Ok, die Lamaföten, welche an den Marktständen zum Verkauf hängen sind schon ziemlich komisch - aber dazu später mehr. In unserer süßen Unterkunft mitten auf dem sogenannten Hexenmarkt angekommen, werden wir herzlich begrüßt und beziehen ein super Zimmer zum Spottpreis. Direkt wollen wir die Stadt unsicher machen, entdecken bunte Straßen voller Kunst genauso wie heruntergekommene Ecken, die wir meiden. Wir merken jedoch schnell, diese Stadt gefällt uns und wir wollen mehr darüber erfahren.

Deshalb steht für den nächsten Tag eine Free Walking Tour an und wir haben den wohl besten Guide der Welt erwischt. Daniel erzählt uns wirklich die wildesten Geschichten über die Stadt und hat dabei einen ganz besonderen Charme sowie einen Riesenspaß. Mitten in der Stadt steht z. B. ein Gefängnis, welches von den Gefangenen selbst geführt wird. Lediglich am Eingang gibt es ein paar Wächter. Darin sitzen hauptsächlich Wirtschaftsstraftäter, die durch ihre früheren Jobs sicherlich ganz besonders gut wissen, mit Drogen zu wirtschaften. Das ist nämlich das Hauptgeschäft des Gefängnisses. So kann es schon mal vorkommen, dass du nichts ahnend daran vorbeigehst und ein Päckchen Koks vor deinen Füßen landet, jemand es sich schnappt und wegrennt. Daniels Tipp Nr. 1: Niemals etwas vom Boden aufheben in der Nähe des Knasts - auch wenn es eine Windel ist, denn diese sind ein fantastischer Drogenschmuggelbehälter. Früher war es übrigens auch eine Touristenattraktion, eine bis mehrere Nächte im Gefängnis zu übernachten. Hierbei konnte man sich ansehen, wie die Gefangenen darin so leben. Je nach Wohlstand, kann ein Einsitzender eine Luxuswohnung "mieten" oder muss Schulden aufnehmen und kommt in einer schlechten Zelle unter. Jeder muss hier seine Unterkunft bezahlen und wenn du kein Geld hast, hast du einfach gesagt verkackt. Auch Familien sind übrigens willkommen. So dürfen z. B. Frau und Kinder mit einziehen, diese sind natürlich jederzeit befugt, das Gefängnis für Schule, Arbeit und allerlei Erledigungen zu verlassen. Als wir vor dem Gefängnis stehen, sehen wir zahlreiche dieser Frauen und Kinder, die ihren Liebsten besuchen wollen oder eben nach Hause gehen. Zu verrückt.

Die Tour führt uns weiter über einen riesigen Markt, auf dem es alles gibt, was man zum Überleben braucht. Die Damen hinter den Frucht-, Gemüse-, Werkzeug-, Waschmittel- oder Kramständen nennen sich Cholitas. Sie prägen das Stadtbild von La Paz maßgeblich und wir merken, dass sie die Herrscherinnen der Stadt sind. Direkt fotografieren dürfen wir sie nur mit deren Einverständnis. Nachdem Sonja vier der Frauen freundlich und in gekonntem Spanisch um Erlaubnis bittet und jedes Mal ein grimmiges "no" hört, lässt sie es bleiben - zu schade, denn die Cholitas sehen einfach toll aus.

Daniel führt uns anschließend über den Hexenmarkt, der von hunderten Regenschirmen und bunten Farben verziert wird. Dieser heißt so, weil hier allerlei Kräuter und Dinge mit heilende Wirkung verkauft werden. Und: Lamaföten. Dieses skurille Accessoire hat seine eigene Geschichte. Bereits vor hunderten von Jahren und bis heute werden diese als Talisman für den Hausbau gebraucht. Die Föten werden mit einem Ritual in der Erde verbuddelt und darüber dann das Haus gebaut. Das soll das brandneue Heim schützen. Ganz wichtig ist den Bolivianer:innen zu betonen, dass die Föten nicht dafür getötet werden, sondern z. B. Fehlgeburten oder durch den Tod der Mutter auch verstorben sind. Skurril bleibt es.

Wir dachten, wir haben schon die wildesten Stories der Stadt gehört, als Daniel am Platz des Regierungssitzes dann mit den wirklich krassen Fakten um die Ecke kommt. Dass Bolivien mit extremer Korruption, Armut und Drogenhandel zu kämpfen hat, dürfte den meisten bekannt sein. Die jüngste Geschichte des Landes ist trotzdem schockierend und berührend. "I will tell you, what Bolivians did with their one good president - you don't want to know, what happened to the bad ones" - so beginnt die Reise in die jüngste Geschichte der Stadt. Das auszuführen würde jetzt den Rahmen sprengen. Es genügt allerdings wahrscheinlich zu erzählen, dass ein Aufstand gegen die Regierung in den 60er Jahren derart ausartete, dass der eigentlich "nette" Präsident von seinem brennenden Regierungssitz aus dem Fenster geworfen und anschließend an einer Laterne aufgehängt wurde, hunderte Demonstrant:innen von der Polizei beschossen und viele verletzt wurden und noch heute in Laternen, Hauswänden und im Brunnen des Platzes Einschusslöcher von diesem Tag zu sehen sind. Da die Bolivianer:innen danach erst den richtig schlimmen Präsidenten bekamen, wurde dem Netten doch noch eine Gedenkstatue vor seiner Todes-Laterne errichtet. An diesem Tag haben wir von Daniel gelernt, dass La Paz verrückt ist, vielfältig, wild und bunt. Und, dass er die Stadt liebt und sie neben den schlimmen Seiten auch absolut grandiose Eigenschaften hat. Natürlich entgeht uns auch nicht, dass neun verschiedene Gondellinien über die Stadt fliegen und wir machen einen Ausflug über die Dächer La Paz'. Es fühlt sich ein bisschen an, wie Skifahren gehen, als wir in die österreichischen, modernen Gefährte steigen. Wir fahren über Streetart, Plätze, heruntergekommendste Stadtviertel, Wolkenkratzer, Märkte, einen riesigen Friedhof - großartig!


La Paz ist vogelwild und wir lieben es. Nachts sollte man definitiv nicht unterwegs sein, doch das Stadtbild, die coolen Leute und vor allem auch die kulinarischen Erlebnisse machen die Stadt sehr lohnenswert! Noch ein weiterer Stop erwartet uns in diesem unterschätzten Binnenstaat: Salar de Uyuni, die größte Salzwüste der Welt. Aus Zeitgründen entscheiden wir uns für eine Eintagestour, was wahrscheinlich die falsche Entscheidung war. Außerdem buchen wir die Tour mit spanischem Guide, um uns die 30 US Dollar pro Nase für den englischen Guide zu sparen - schließlich sind wir ja inzwischen schon fast Muttersprachler. Dass wir zwar ganz ok in Spanisch sind, jedoch weit entfernt von Tour-auf-Spanisch-Level, lernen wir ziemlich schnell. Jedoch auch, dass wir nicht die einzigen Sparfüchse sind, denn ein Koreaner, der kein Wort Spanisch spricht, sowie ein Brite, der allem Anschein nach nur das Wort "Claro" kennt, sind gemeinsam mit einer Mexikanerin und einer Peruanerin auch mit uns im Auto - und los geht die wilde Fahrt. Nach unserem ersten Halt an einem Zugfriedhof, der keine weitere Erwähnung verdient, düsen wir in die ewige, weiße Weite. Wohin du schaust, ist alles weiß und der Horizont wird von Bergen und Vulkanen geziert. Es ist unglaublich schön und beeindruckend.

Während wir beide eigentlich nur diese wahnsinnige Natur betrachten wollen, hat unser Guide etwas ganz anderes im Sinne. Und zwei Minuten später und für die nächsten geschlagenen 1,5 Stunden müssen wir uns mit unserer Gruppe von Unbekannten vor einem Dinosaurier, aus einer Pringelsdose hüpfend, mit einer Weinflasche und komische Posen machend fotografieren und filmen lassen.


4 von 5 von euch Bloglesenden wissen, dass Sonja die Queen der Selfies und Fotos ist, sie ist auch am Anfang noch am Start und versucht Alex zu motovieren - aber selbst ihr geht das Ganze irgendwann zu weit. Ein, zwei Shots ok. Aber wir verbringen letztendlich fast die Hälfte der Tour mit Fotoshootings, auf die wir keine Lust haben, und unsere Galerie ist jetzt ein Sammelsurium von albernen 160 Fotos und Videos, die wir nicht wollen. Und Geld haben wir dafür auch noch gezahlt! Viel lieber hätten wir noch mehr von der tollen Uyuni Wüste erkundet und den Tag besser genutzt.

Nach einem Mittagessen in einem aus Salz gebauten Hotel-Restaurant, brechen wir auf zu einer Kaktusinsel. Diese liegt mitten in der Uyuni, wir wandern den kurzen Weg zum höchsten Punkt und genießen die tolle Sicht ins Nichts.

Beim letzten Stopp des Tages, ist der Boden mit Wasser bedeckt und durch das Licht des Sonnenuntergangs kommt es zu coolen Spiegelungen. Das und unsere geilen Gummistiefel schreien natürlich nochmal nach einem Foto- und Videoshooting - zumindest findet das unser Guide.


Wieder finden wir uns beim alberne Posen machen wieder, Alex ist nur noch genervt, Sonja versucht das Beste draus zu machen und wir verpassen wegen diesem Scheiß zur Hälfte den unfassbaren Sonnenuntergang.

Die Uyuni ist sehr beeindruckend und unbedingt einen Besuch wert. Am besten jedoch mit einer Tour, die nicht 2 von 5 Stunden mit Fotos und Videos machen verbringt. Ob solch eine existiert ist zu bezweifeln. Auch wenn unsere Zeit in Bolivien kurz war und wir eigentlich nur auf der Durchreise nach Chile hier vorbeigekommen sind, hat uns das Land besonders überrascht und wir hätten gerne noch mehr davon gesehen. In unseren aktuellen Plan passt das jedoch nicht rein, denn unser nächstes Abenteuer wartet bereits: Die Atacama Wüste in Chile!

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